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Interview: CRIPPER
Titel: Zweckmäßige Schrittfolge

Auf ihrem vierten Album hauen diese Hannoveraner ihre kantige Mixtur aus Old School Thrash Metal und moderner Attitüde jetzt noch ein ganzes Stück weiter nach vorne.

Große spieltechnische Stabilität hievt auf „Hyena“ eine monumentale Groove-Tonnage ebenso zielsicher wie rasant in die Ohrentunnel. Dass Cripper auf der Bühne wahre Tiere sind, ist bei Kennern der rhythmussicheren Formation bereits seit Jahren bekannt. Und die elf neuen Songs, vor rauen Energien unbändig strotzend, transformieren die animalische Schweißtreiberei des zackigen Fünfers 1:1 durch die Boxen.

Laut Sängerin Britta ,Elchkuh‘ Görtz wurde „Hyena“ von der Band verhältnismäßig schnell geschrieben. „Das hat den Songs überraschenderweise auch gut getan. Denn wir neigen im Songwriting manchmal dazu, zu viel und zu lang an einer Sache herumzudoktern und müssen dann auch schon mal ein bis zwei Schritte zurückgehen, um zu einem guten Ergebnis zu kommen.“




„Hyena“ ist in zwei Schritten entstanden, so die enorm stimmstarke Frontfrau.

„Wir haben im Frühjahr 2013 entschieden, dass wir erst einmal vier Songs komplett fertig produzieren wollen. Das hatte zwei Hintergründe. Zum einen wollten wir uns bis zum kompletten Album die Zeit nehmen, Abstand zu den Songs und vor allem auch zum Sound zu bekommen, um später noch sinnvolle Änderungen vornehmen zu können. Es ist recht schwierig, den eigenen Sound objektiv zu beurteilen, wenn man gerade erst aus dem Studio raus ist und gefühlt noch mitten in den Songs steckt. Mit vier Stücken vorab zu starten hatte zum anderen den Grund, dass wir uns auf Labelsuche begeben wollten. Zwar waren wir mit der Situation bei SAOL alles andere als unglücklich, aber wir wollten einfach mal schauen, was es da draußen für Cripper noch so an Möglichkeiten gibt. Ein gutes Timing, wie sich herausstellte. Denn Metal Blade sprachen uns nach unserer Show auf den Metaldays 2013 an und wir konnten zeitnah neues Material präsentieren.“

Der weitere Dialog dreht sich darum, was bis zum Abschluss des aktuellen Kompositionsprozesses denn so alles los war im Band-Lager? Gitarrist Christian ,Knitzel‘ Bröhenhorst lässt wissen:

„Wir haben eine gemeinsame Europatour mit Onslaught und Izegrim gerockt. Unsere Songauswahl dieser Shows war noch klar vom Material des Vorgängeralbums bestimmt. Aber kurz darauf widmeten wir uns verstärkt dem nächsten Release. Nach dem Album ist vor dem Album. Auf der 70.000 Tons Of Metal Cruise gastierten wir in diesem Jahr zum zweiten Mal. Außerdem stand 'ne ganze Latte an internationalen Festivals an; dazu natürlich viele Clubshows. Die Gigs haben uns in einige Länder getragen in denen wir vorher noch nie gewesen sind. `Ne echt spannende Nummer.“

Gitarrenkollege Jonathan ,Mad‘ Stenger ergänzt dazu noch: „Für die Beendigung der Songs hatten wir uns knappe Deadlines gesetzt, die uns ziemlich gefordert haben. Hat am Ende aber alles hingehauen und wir konnten die Aufnahmen in der geplanten Zeit angehen und abschließen. Das ganze Drumherum kam aber auch noch dazu. Wir haben beispielsweise eine Live-Show gefilmt und werden diese als Bonus-DVD mit veröffentlichen. Das zieht einen ganzen Rattenschwanz an Aufgaben nach sich. Jetzt proben wir zur Zeit die neuen Stücke, um sie adäquat auf die Bühne zu bringen.“

Wie gut harmoniert das Band-Gefüge bei Cripper seit dem letzten Album? „Die Aufnahmen von ,Antagonist‘ waren damals sehr chaotisch, auch war der Release vom Ausscheiden unseres damaligen Bassisten Bass-T überschattet. Dieses Mal lief es deutlich geplanter und harmonischer was diese Aufnahmeprozesse anging. Wir mussten dennoch wieder einige Hürden nehmen und haben uns beispielsweise bei der Artwork-Frage ziemlich gekabbelt. Das ist bei uns ein sehr wichtiges Thema und liegt schon seit Bandgründung allein in unserer Hand. Da jeder mitentscheiden möchte und jeder einen eigenen Geschmack hat, kann das schon mal ausarten bis eine Lösung gefunden ist. Ansonsten haben wir speziell im Songwriting-Prozess viel Teamgeist bewiesen und sind in der letzten Phase enorm effizient voran gekommen“, so Jon.

Bassist Gerrit Mohrmann hierzu: „Ohne die Erfahrungen der letzten Produktionen, die ich nur als Freund der Band von außen miterlebt habe, fühlt es sich für mich super an, seit 2012 Teil von Cripper zu sein.“

Britta bringt sich im Weiteren ebenfalls zu dem Thema ein.

„Besonders die letzten beiden Jahre Cripper fühlten sich insgesamt sehr nach gut funktionierendem Gefüge an. Grundvoraussetzung, um den eben schon erwähnten knappen Zeitplan durchzuhalten und dabei gleichzeitig auch noch kreativ und produktiv zu bleiben.“

Von Party-Thrash bis hin zu Groove-Death ist auch diesmal wieder alles in der bewährten Rezeptur im Sound von Cripper vertreten, berichtet Axeman Jonathan.

„Vor Stoner-Elementen, Prog-Anleihen und anderen Sperenzien haben wir uns auch nicht verschlossen. Im Grunde haben wir beinahe alles einfließen lassen, was uns an musikalischen Einflüssen gefällt und uns dabei nicht limitiert. Auch die neue Scheibe klingt aber nach wie vor definitiv wieder nach Cripper.“

Wie Britta ihren Kollegen direkt ergänzt, ist „Hyena“ durch die vielen Einflüsse eine richtige Reise geworden, die ihrer Ansicht nach sehr entschlossen und auch schlüssig daherkommt.

„Die einzelnen Songs greifen gut ineinander. Ich würde sagen, dass die einzelnen Kompositionen in sich entschlossener klingen als auf unseren vorherigen Alben. Auf ,Antagonist‘ haben wir dahingehend schon einen großen Schritt getan, und ,Hyena‘ ist nun eine logische Fortführung.“

Gibt es auf „Hyena“ nennenswerte Unterschiede zum Albumvorgänger zu hören?

Jon: „Ist nicht ganz einfach ein objektives Bild abzugeben, wenn man noch so sehr im Entstehungsprozess drin steckt. Aber ich denke, dass das Album etwas heavier ist als die Vorgänger. Es sind natürlich auch wieder einige Highspeed-Granaten dabei, aber der Großteil groovt wie Sau. Die Arrangements sind vermutlich auch etwas konsequenter und eingängiger ausgefallen, da wir viele der Songs mit einem bestimmten Konzept im Hinterkopf geschrieben haben, was dieses Mal konsequenter verfolgt wurde als bei den Vorgängern. Wie Britta schon erwähnte, haben wir diesmal viel Zeit und Mühe in den Sound gelegt, was sich meiner Meinung nach gelohnt hat.“

Überhaupt sind die neuen Songs bissig, sehr lebendig und auch hier und da wütend, wie Britta das Ganze erfreut einschätzt. „Übergreifend würde ich die Kompositionen als unglaublich energiegeladen beschreiben. Ich bin sehr glücklich, dass es gelungen ist, Songs zu schreiben, die einem eine geballte Ladung Energie zwischen die Augen treiben.“

Jon ist diesbezüglich der Ansicht, dass die neuen Cripper-Songs vor allem sehr eigenständig geworden sind. „Jeder Track hat seine eigene Duftmarke und kann eine gewisse Eingängigkeit aufweisen - wenn man das so von unserer Knüppelmusik behaupten kann.“

Christian steigt ein: „Ich glaube, dass die meisten der neuen Tracks sich auch in der Live-Situation ganz gut bewähren werden. Mit einigen haben wir's bisher ausprobiert – und das war echt knorke.“

Cripper schreiben ihre Songs laut Jon in der Regel zusammen im Proberaum.

„Dabei kann sich jeder einbringen und wir zerpflücken jedes Detail in ausufernden Diskussionen. Am Ende kommt dann meistens was bei raus, was zumindest den meisten zusagt, braucht nur eben seine Zeit. [lacht] Die meisten Riffs und auch viel Drum-Arrangements und Songstrukturen gehen diesmal wohl auf meine Kappe. Britta hat gerade zu den Arrangements auch viel beigetragen. Zudem schreibt sie alle Texte. Normalerweise parallel zum musikalischen Entstehungsprozess, sobald eine Arrangement-Skizze steht.“


Britta fügt an: „Meistens ist es so, dass entweder Jonathan oder ich die konkreteste Vision des Songes im Schreibprozess haben. Hier müssen wir uns alle gut abstimmen, damit wir beim Schreiben nicht in unterschiedliche Richtungen laufen.“

Gerrit: „Joa, ich habe das Gefühl, da sind wir eine recht typische Metal-Band. Die Grundideen sprich Riffs aus denen sich dann der Song entwickelt, stammen in den meisten Fällen von Jon und Knitzel. Dennis, Britta und ich kommen dann dazu und machen Musik daraus!“ [grinst schelmisch]

Ausgefeilt wird zusammen, finalisiert Christian den Kontext. „Ich meckere einfach immer dann wenn es zu cheesy wird! [lacht] Das Finetuning der unterschiedlichen (Gitarren)Harmonien und Leadparts ist teils erst im Studio unmittelbar vor und auch während des Aufnahmeprozesses ausgetüftelt worden.“

Nachfolgend steht die Frage im Raum, welchen Zeitraum das gesamte Songwriting in Anspruch nahm und wie die Zusammenarbeit der einzelnen Bandmitglieder hierfür klappte.

Gerrit legt los: „Wenn ich zurückrechne komme ich auf knapp zwei Jahre. Ui, das hört sich gerade recht lang an. Naja, aber letztlich ist es ja so, dass wir nicht von morgens bis abends, sieben Tage die Woche für Cripper arbeiten. Jeder von uns ist voll berufstätig. Bei zwei Proben die Woche, kann sich das schon ziehen. Schon verrückt, denn ich merke gerade, dass ich als Fan sehr ungeduldig auf neues Material meiner Lieblingsbands warte, ich dann zwei oder drei Jahre ohne neues Album als extrem lange Zeit empfinde. Als Basser von Cripper kommen mir die zwei Jahre rückwirkend betrachtet gerade recht kurz vor. Huch, ich bin ja auch erst seit 2012 dabei“, gibt er lachend zu Protokoll, und fügt an:

„Um ehrlich zu sein, Songwriting kann schon anstrengend sein. Gerade, wenn wie bei Cripper, alle mitreden. Kann man sich ja vorstellen, dass es da auch mal emotional wird. Das ist halt Musik. Wenn's nicht emotional wäre, wäre es wohl nicht gut... Grandios für mich an der ganzen Sache ist, dass bei all den Egos und Emotionalitäten alle an einem Strang ziehen und am Ende immer etwas dabei rauskommt, worauf wir stolz sein können!“

Sind die Cripper-Mitglieder selbst eigentlich auch so ausgesprochene Wüteriche, wie es ihre Stücke vermeintlich durchblicken lassen?

Gerrit lacht erstmal laut: „Im Leben nicht!“

Dann überkommt ihn jedoch das ewige Klischee und er wird gar zum Spaßvogel.

„Äh, ja auf jeden Fall! Man darf uns nicht im Dunkeln begegnen. Im Metal hat gute Laune und Frohsinn nun wirklich nichts verloren. Das Ding ist eine ernste Sache... Das muss reichen. Knitzel hat mir verboten ironische Antworten zu verfassen. Er sagt, man würde das falsch verstehen. Schade!“ [lacht]

Christian lacht da gerne mit: „Das wird Dir vom Bassergehalt abgezogen! Zurück zum Ernst der Lage: Bös' wütend. Ja, sind wir. Das lässt sich durch ein paar kühle Biere aber eindämmen. Im Alltag und außerhalb der Bühne sind wir sicher ruhige Gesellen ... und ich ganz besonders langweilig.“ [lacht]

„Hyena“ - ganz klar sehr zeitgemäß, wenn man sich vor Augen hält, wie rücksichtslos sich der „Homo Sapiens“ weltweit gegenseitig zerfleischt … doch was genau steckt hinter dem Titel?

„Die Idee zu dem Titel kam uns schon beim letzten Album. Hyänen sind imposante, krasse Tiere, aber eben nicht so majestätisch oder erhaben wie Löwen oder andere katzenartige Raubtiere. Hyänen sind räudiger, haben ein ganz anderes Image. Das hat uns alles sehr angesprochen – und als Motto für ein Metal-Album passt ein angriffslustiges Tier mit einem eindrucksvollen Gebiss einfach sehr gut“, berichtet Britta.

Die Themen ihrer Lyrics sind recht weit gefächert auf diesem Album, lässt Britta erfahren.

„Ich versuche, auf jedem Album die grundsätzliche Stoßrichtung leicht zu verändern und mich etwas aus meiner Komfortzone heraus zu bewegen. Ich will mich selbst nicht langweilen und habe Spaß daran, Neues auszuprobieren. Auf ,Hyena‘ finden sich weniger autobiografische Stücke als zum Beispiel auf dem Vorgänger ,Antagonist‘. Ich habe stattdessen versucht, die Perspektive anderer Menschen einzunehmen und aus ihrer Sicht über ein bestimmtes Thema zu schreiben und dieses wenn nötig überspitzt darzustellen. Eine sehr interessante und spannende Erfahrung, besonders auch, weil ich die erste Person als Erzählperspektive nicht verlasse.“

Fühlt sich die Frontfrau selbst manchmal wie von Hyänen umgeben, respektive der weitgehend völlig entseelten Moderne und ihren vielfältigen Hinterhältigkeiten?

„Nein, das eher weniger“, stößt sie unter einem Lachen aus, „vielmehr nehme ich im Titelsong die Perspektive einer Hyäne ein, die sich vielleicht verlaufen hat. Auf jeden Fall fühlt sie sich eher missverstanden und einsam – was symbolisch gemeint ist. Der Song handelt davon, ein Fremdkörper in einer ansonsten homogenen Umgebung zu sein.“

Und was erhoffen sich Cripper primär für den Rest des Jahres?


Jon: „Dass die Arbeit an ,Hyena‘ weiterhin gut hinhaut und wir den Release mit allem drum und dran gut hinbekommen. Bis dahin ist noch einiges zu tun. Danach erstmal Wochenende. Und dann vielleicht noch eine coole Tour, dafür würde ich mich dann auch aus dem Bett quälen.“


Britta: „Ja, die neuen Songs müssen auf die Bretter! Eine Tour wäre da genau das Richtige.“


Christian: „Wir haben im Jahr der Hyäne noch einige Auftritte vor. Darunter das Eindhoven Metal Meeting und andere Shows im Umland. Zum Jahresabschluss schippern wir auf 'nem Boot bei Nürnberg über's Wasser und feiern stilecht ins neue Jahr!“

© Markus Eck, 16.09.2014

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