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Interview: DARKWELL
Titel: Einnehmend emotionale Notenkunst

Dem opulenten Prunk des Rokoko und der schwelgerischen Dekadenz des Barock wird hierbei in musikalischer Weise vollauf Rechnung getragen.

Und diese beiden glanzvollen Epochen scheinen bei Darkwell geradezu wieder aufzuerstehen, und dies nicht nur durch Verwendung von für diese Zeiten typischen Instrumenten. In Form von „Suspiria“ haben diese österreichischen Newcomer also aktuell ein ergreifendes Gothic Metal-Debütalbum abgeliefert.

Von der ersten Minute an ist der stärkste Trumpf dieser wirklich begnadeten Gothic Metal-Formation eine einmalige und liebenswerte Sängerin, die mit ihrer jungfräulich und blütenrein klingenden Zauberstimme die ganze Vielfalt der romantischen zwischenmenschlichen Gefühle zu repräsentieren in der Lage ist.

Ein dermaßen anmutiges und charmantes Organ hat man schon lange nicht mehr zu Gehör bekommen und charmanter kann man in dieser Position wohl auch nicht mehr vorgehen.

Man kann sich schier gar nicht mehr satt hören an der Stimme von Alexandra Pittracher, welche einer Elfenkönigin zur Ehre gereicht.

Nicht weniger reizvoll sind die Darkwell-Kompositionen an sich anzusiedeln, welche zudem die Charakterisierung „Gothic“ in vollstem Maße zutreffen lassen.

Darkwell-Tieftöner und -Sprachrohr Roland Wurzer gibt mir gerne die kreativen Beweg- und Hintergründe seines Orchesters preis.

Wir sprechen anfangs darüber, in welcher Stimmung Roland die besten Songs für Darkwell zu schreiben imstande ist. Jeweilig völlig in sich gekehrt und isoliert oder völlig unabhängig von diesen beiden Faktoren?

„Spontan würde ich antworten, daß meine Stimmung unabhängig von diesen Faktoren wäre, jedoch wenn ich darüber nachdenke treffen sie doch sehr oft zu. Damit will ich sagen, daß ich nicht nach Isolation oder Abgeschiedenheit suche, aber daß die meisten Ideen isoliert entstehen. Objektiv betrachtet besteht auch eine Form von Isolation wenn mehrere Bandmitglieder an einem Song arbeiten.“

Was beeinflußt sein Leben am meisten und nach welcher Maxime lebt der Bassist? Oder läßt er sich von nichts und niemandem beeinflussen?

„Absolute Eigenständigkeit und Unbeeinflußbarkeit ist ja anscheinend oft das Ziel anderer Musiker, jedoch halte ich diese Einstellung für eine Illusion. Meiner Überzeugung nach beeinflußt den Menschen alles was ihn umgibt. Um so stärker eine Emotion an das Geschehende gebunden ist, desto stärker beeinflußt es mich. Eine grundrichtige, bestimmende Maxime gibt es in meinem Leben ohnehin nicht.“

Der Bandname Darkwell scheint bei oberflächlichem Befassen damit anscheinend soviel wie „Das gute Dunkle“ zu bedeuten. Jedoch:

„Darkwell steht für Dunkelbrunnen oder Dunkelquelle, jedoch gefällt mir deine genannte Interpretation auch ganz gut. Ich würde jedoch das Dunkle nicht als `gut` bezeichnen, denn in meiner Einschätzung ist es weder das eine noch das andere, sondern es ist einfach ein Teil unserer Existenz. Man darf jedoch Darkwell nicht für eine `Quelle der Dunkelheit` halten. Die Dunkelheit ist ein Teil unseres Leben, und in meiner Einschätzung auch ein positiver Teil. Es kann aber auch eine Sichtweise der Realität sein und mit dieser beschäftigen wir uns.“

Angenehme Härte, die nicht mehr als songdienlich nötig in die Lieder integriert wurde, bieten die routiniert riffenden Gitarren bei Darkwell.

Und einen bemerkenswerten Pluspunkt auf der famosen Veröffentlichung „Suspiria“ stellen die exzellent agierenden Schlagzeuganteile dar, die endlich einmal auf einer Gothic Metal-Scheibe ihre Kraft und ihren Gigantismus voll entfalten. Was geht dem Musiker Roland beim Hören seiner eigenen Musik durch den Kopf? Erkennt er sich dort selbst wieder beziehungsweise ist er dabei sehr selbstkritisch?

„Ich bin ein furchtbar selbstkritischer Mensch. Sobald ein Song abgeschlossen ist, verändere ich ihn jedoch ungern, denn dann würde ich die Idee verfälschen. Zufrieden mit einem Lied bin ich, wenn ich es selbst hören kann und es mich inspiriert, zu weiteren Gedanken führt und, ganz einfach gesagt, gut klingt.“

Was ist das Leitmotiv des Bassisten für das Erzeugen solcherlei Musik? Möchte er andere traurig machen oder möchte er selbst beim Musizieren mit Darkwell bewußt Trauer durchleben, um sich danach besser zu fühlen?

„Bewußt Trauer zu durchleben ist ein sehr interessanter Ansatz. Jedoch sollte er nicht nur mich berühren, sondern jede und jeden, die unsere Musik hören. Jeder Gedanke besitzt Trauer und Freude, Licht und Dunkelheit, nur in verschiedener Stärke. Viele neigen dazu, das natürliche Gleichgewicht zu ignorieren, jedoch Musik, eine viel emotionalere Ausdrucksform als die gesprochene Sprache, kann das Verständnis eines Gedankens verändern.“

Überwiegend äußerst melodisch arrangiert und glücklicherweise betont auf das zart vokalisierende Frontfräulein zugeschnitten, bewegen sich die Stücke auf „Suspiria“ in einem nicht über seine stilistischen Grenzen tretenden Rahmen, der jedoch alles andere als eng scheint. Welche Bands beeinflussen meinen Gesprächspartner und seine Gruppe Darkwell an sich?

„Natürlich werden wir durch viele Musiker und Gruppen beeinflußt und das Spektrum ist sehr weit gefächert. Klassische Musik spielt eine bedeutende Rolle, sowie einige Richtungen des Metal und viele Ausprägungen des Gothic-Sounds.“

Die Frauen: Welche Macht haben sie über Roland? Ist er den starken Gefühlen der Liebe gewachsen, oder wird auch der Tieftöner im Zuge dessen immer wieder schwach und tut Dinge, die er hinterher nicht mehr versteht?

„Wer ist den Gefühlen der Liebe denn schon wirklich gewachsen? Jeder, der das behauptet, ist ihr nie wirklich begegnet und kennt sie nicht. Wichtig ist, wie man mit der Liebe umgeht, wie man Freude und Enttäuschung verarbeitet und wie man dem Ganzen begegnet. Wenn man enttäuscht ist, versucht man sich selbst zu schützen und man belügt sich selbst. Gelassenheit wäre wohl die beste Reaktion, aber ob man dazu fähig ist steht wohl auf einer anderen Seite im Buch des Lebens.“

Welches einschneidende Erlebnis brachte Roland dazu, Musik, vor allem, solcherlei Musik, machen zu wollen?

„`Solche Musik` begannen wir 1993 zu machen, als ich die Melancholie entdeckte, die in einer weiblichen Stimme stecken kann. Die Musik selbst entdeckte ich einige Jahre vorher, als ich erkannte, daß Musik die `Sprache` ist in der ich mich gerne ausdrücken würde.“

Ich bitte meinen Interview-Partner, den momentanen Krankenstand der Szene zu diagnostizieren. Noch nie fühlten sich so viele entsprechende Bands berufen. Wie sieht er persönlich also diese Entwicklung, speziell im Gothic Metal?

„`Krankenstand` ist wohl das richtige Wort, jedoch andererseits kann man Vielfalt auch nicht als schlecht bezeichnen. Ich glaube, bald wird eine Zeit der natürlichen Auslese beginnen und einige Gruppen werden von der Bildfläche verschwinden. Wer dieser Auslese zum Opfer fällt, kann ich und will ich nicht beurteilen. Einen direkten Bezug zur derzeitigen Gothic- und Black Metal-Szene an sich will ich auch nicht herstellen, denn dazu fehlt mir wohl das tiefere Wissen. Neues zu erschaffen wird hierin sicherlich immer schwerer und ich glaube, das ständige stilistische Erweitern dieser Musik durch neue und alte Stilmittel verändert wohl eher den Geist als die Qualität der Bands beziehungsweise der Szene.“

Welches war das jeweilig schönste und welches das häßlichste Erlebnis im bisherigen Leben des Darkwell-Bassisten? „Ich glaube nicht, daß Erlebnisse wirklich schön oder häßlich sind. Manche Erlebnisse sind einfach wichtig, andere Erlebnisse sind unangenehm, und andere verbreiten Freude oder Trauer. Wichtig ist mir und mit Freude erfüllt mich die Möglichkeit, unsere Musik den Menschen zugänglich machen zu können. Am meisten mit Trauer erfüllt es mich, wenn ich Menschen zu ihrem oder meinem Schaden falsch einschätze.“

© Markus Eck, 02.10.2000

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