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Interview: DREAMQUEST
Titel: Unstillbare Leidenschaften

Mit dem neuen Studioalbum „Lost Horizons“ verfolgt der wohlbekannte italienische Griffbrett-Flitzefinger Luca Turilli seine ureigene Vision.

Eine Vision nämlich von betont symphonischem Electro Rock mit massiven schwermetallischen Anleihen und einer Überdosis an opulent arrangierter Epik, und das unter dem Projektnamen Dreamquest. Der hauptsächlich in Triest und zeitweise im Süden Frankreichs lebende Turilli, ansonsten bei den erztheatralischen Edelkraftstahl-Melodikern Rhapsody am Werken und mit diversen anderen Solo-Veröffentlichungen auch nicht gerade geizend, ist auch außerhalb von Insiderkreisen bekannt für seine immense künstlerische Vielfalt.

Und der außergewöhnlich hohe musikalische Eigenanspruch des ebenso umtriebigen wie talentierten Italieners, gepaart mit seiner schier unerschöpflichen Schaffensfreude und -Kraft legitimiert den ungewohnt hohen Ausstoß von veröffentlichten Tonträgern vollauf.

Und davon können sich sowohl Neugierige, notorische Zweifler als auch leidenschaftliche Anhänger von Lucas umfangreichen Gitarren- und Kompositionskünsten nun abermals mittels „Lost Horizons“ ausreichend überzeugen.

„Heute fühle ich mich einfach prächtig; nicht zuletzt deswegen, weil die anstrengende Promotion-Phase für das neue Dreamquest-Album sich so langsam dem Ende neigt“, entfährt es dem Maestro eingangs mit Lachen in der Stimme, der seinen Informations-Job im Interview mit wirklich außergewöhnlicher Ambitioniertheit erledigt.

Von dieser vermittelten positiven Grundstimmung war dann auch der nachfolgende Dialog massiv durchzogen, und auch Turillis durchweg massiv ertönender italienischer Akzent trug so Einiges zur hellen Freude des Autors bei.

Dank des riesengroßen Erfolges mit Rhapsody ist es meinem Gesprächspartner laut eigener Aussage möglich, teilweise in Frankreich zu leben und auch sonst den ganzen lieben langen Tag nicht anderes zu tun als für seine musikalischen Belange da zu sein:

„Anfangs war ich auch überglücklich über diesen Umstand, und darüber, dass ich mich mit voller Power meiner internationalen Karriere widmen kann. Doch nach den letzten Jahren muss ich doch ernstlich zugeben, dass mein `Job` als Vollzeitmusiker wohl einer der härtesten dieser Welt ist. Denn mein Alltag besteht nicht nur aus den schönen Seiten wie beispielsweise dem Komponieren, dem Üben und umjubelt auf der Bühne zu stehen. Sondern die ganze Sache bringt für einen manisch Kreativen wie mich auch eine Unmenge an Stress mit sich. Das nicht zuletzt, weil ich keine Idee ungenutzt wegschmeißen möchte. Ich speichere alles irgendwo ab, um es zu einem günstigen Zeitpunkt entsprechend zu verwerten. Zumeist ist es schon erträglich, aber manchmal ist es so schlimm, dass ich meinen Computer glatt aus dem Fenster werfen möchte, auf dem ich all das Komponierte speichere und weiterbearbeite“, platzt es, schallend lachend, aus ihm heraus.

Und Luca hängt dem noch schmunzelnd an:

„In solchen Momenten wünsche ich mir dann meistens, einen ganz `alltäglichen` Beruf auszuüben, beispielsweise als Gärtner einer kleinen Grafschaft.“

Eine nicht unerhebliche Problematik stellt für den Triester auch das von Anfang an jahrelang selbst antrainierte Gitarrenspiel dar, wodurch klassische und altschulische Grifftechniken nachträglich nur mit äußersten Schwierigkeiten dazuerlernt werden konnten. Luca gesteht dazu noch:

„Ja, auf der einen Seite bin ich heute in der Lage, überaus komplizierte Griffe beinahe traumwandlerisch umzusetzen. Andererseits habe ich es nach all den vielen Jahren noch immer nicht drauf, einen stark emotional ausgerichteten Hit-Klassiker wie `Hotel California` von den Eagles auf der Akustikgitarre umzusetzen. Ich provoziere mich immer wieder aufs Neue regelrecht selbst mit solcherlei Aussagen, aber es ist eben nichts sonst als die reine Wahrheit. Als ich damals im zarten Alter von 16 Jahren diverse Alben von Yngwie Malmsteen und den klassischen Metal an sich für mich entdeckte, hörte ich bis dato lediglich stilistisch zeitgeistgerechte und erfolgreiche Popmusik wie Aha und Duran Duran – das melodische Schwermetall schlug in meinen Geist ein wie der berühmte Blitz. Schnell wurde dann eine Gitarre angeschafft, ich hörte die neu gekauften Platten ständig an, übte dazu Tag und Nacht an den Saiten meiner neuen Klampfe und konnte es schier nicht abwarten, so wie Yngwie zu klingen – was natürlich rückblickend eine absolute Illusion im Übereifer war. Durch das viele selbständige Üben ohne erfahrene Aufsicht und das ganze anfängliche Tricksen mit den vielen vorgegebenen Riff-Mustern bin ich wie erwähnt ein absolut von den Normen abweichender Gitarrist geworden: Zwar eigenständig und sehr technisch, aber auch mit noch immer nicht wenigen Schwierigkeiten beim Spielen der eher organischen beziehungsweise emotionalen Sachen. Ich kann daher allen Gitarren-Anfängern mit ernsthaften Ambitionen nur dringend raten, lieber besser heute als morgen professionellen Unterricht zu nehmen und nicht so wie ich jahrelang der eigenen Spiel-Linie zu folgen, um dann hinterher ständig umlernen zu müssen.“

Wie der wirklich bemerkenswert ehrliche Musikus noch ergänzt, liegen ihm also seit jeher die eher verzwickt zu exerzierenden Saiten-Artistiken – mit denen er selbst höchsten Hörer-Anforderungen genügt.

„Für das Metalmessage-Magazin habe ich bisher noch gar kein Interview gegeben, somit ist es eine absolute Ehre für mich“, kehrt der melodisch überaus versierte Riff-Meister zwischendurch erneut sein liebenswertes Understatement heraus, um dem, zum neuen Album erklärend, anzufügen:

„`Lost Horizons` ist der dritte und damit abschließende Teil einer Album-Trilogie. Begonnen habe ich sie 1999, mit dem Album `King Of The Nordic Twilight´, welches auf musikalischer Ebene den Werken von Rhapsody nicht unähnlich angelegt ist. Was viele der Fans eigentlich gar nicht wissen: Ich sehe mich mehr als Komponist denn als Musiker. Das Komponieren ist meine ganz große Leidenschaft, manchmal schaffe ich es nicht vor vier Uhr früh ins Bett, weil ich einfach nicht aufhören kann an meinen neuen Song-Ideen zu arbeiten. Ich bin davon so besessen, dass ich mir des Nachts dann nicht einmal ein Glas Rotwein oder Ähnliches gönne, damit die Konzentration nicht im Geringsten leidet. Was mir dann stets schmeckt, ist eine Cola, nicht zuletzt wegen dem Koffeingehalt, um auf Zack zu bleiben“, feixt der italienische Vollblutmusiker.

Er berichtet weiter: „Da das Veröffentlichen meiner zahlreichen Kreativitätsschübe durch massive Probleme mit den Plattenlabeln ärgerliche Einbußen erlitt, konnte ich für einen Zeitraum von circa drei oder vier Jahren keine Soloalben mehr herausbringen. Da hatte sich natürlich eine Unmenge an Material aufgestaut, wie man sich leicht vorstellen kann. Als sich dann jüngst doch überraschend eine Möglichkeit für mich ergab, knallte ich natürlich gleich eine volle Ladung raus: Zum einen die Luca Turilli-Albumscheibe namens `The Infinite Wonders Of Creation` und zum andern eben den aktuellen Dreamquest-Langspieler. Grundstoff dafür hatte ich ja genug auf Halde.“

Wir erfahren zusätzlich: „Als das Rhapsody-Live-Album `Live In Canada (A Dark Secret)` vor nicht allzu langer Zeit zur Veröffentlichung anstand, nutzte ich die mir sich glücklicher Weise simultan bietende Gelegenheit, um auch meine Solosachen endlich auf den Markt zu bringen. So versprach ich mir eine Rundum-Promotion für alle meine musikalischen Wirkungsstätten. Um ganz ehrlich zu sein, wollte ich anfangs sogar die genannte Live-Scheibe sowie die beiden Turilli-Soloalben zeitgleich veröffentlichen, doch davon kam ich dann nachfolgend ab – das wäre der reinste kommerzielle Selbstmord gewesen. So wurde die Terminierung der jeweiligen Release-Dates eben mit Vor- und Weitsicht aneinander angeglichen. Denn der internationale Markt für klassischen Metal ist ebenso überfüllt und ziemlich am Boden, wie die meisten anderen Musikbranchen ja bekannter Weise es auch sind – da muss schon mit Bedacht agieren, sonst geht ein Schuss schnell nach hinten los und erledigt den Schützen beziehungsweise Künstler.“

Und während „The Infinite Wonders Of Creation” sich seiner Aussage nach den Rhapsody-Ergüssen nicht unähnlich anhört, verfolgt Luca mit der die erwähnte Trilogie abschließenden aktuellen Veröffentlichung von Dreamquest eher die modern angehauchte stilistische Linie:

„Die Einflüsse, welche ich für Dreamquest verarbeite, differieren enorm von meinen sonstigen. Ich bin nämlich auch ein riesiger Anhänger von Nightwish und deren großartiger Musik, ja, ich bewundere die Kunst von Thomas und Tarja geradezu mit großem Enthusiasmus. Als ich die Platte `Oceanborn` zu Gehör bekam, war ich innerhalb weniger konsumierter Kompositionen hin und weg von dem guten Stück, was sich gleichermaßen auf den einzigartigen Gesang, aber auch auf die Melodien und die großartigen umrahmenden Arrangements bezog. Binnen weniger Monate entstand aus diesen Umständen heraus das allererste Demo von Dreamquest. Aber auch die Sachen von Within Temptation finde ich großartig, ganz besonders deren Album `Mother Earth`. Ich besorgte mir dieses Werk schon einige Zeit, bevor es dann durch ein deutsches Label lizenziert, medial massiv beworben und in Folge dessen höchst erfolgreich wurde. Auch das neuere Album `The Silent Force` ist einfach wunderschön – mir hat es ganz besonders die ausgeprägte Filmsoundtrack-Atmosphäre dieser CD angetan, da bin ich ganz ehrlich. Wer mich und meine Passion für symphonische Sounds kennt, wird das blind verstehen. So können Nightwish und Within Temptation als meine allergrößten Einflüsse für Dreamquest gesehen werden. Daher ist das Line-Up von Dreamquest auch ein total anderes als das, mit dem ich meine sonstigen Soloalben erzeuge.“

An- und gleichzeitig abschließend berichtet Luca, ergänzend zu diesem Themenkontext, schließlich dann auch noch von seinem ausgesprochenen Faible für moderne Soundtracks:

„Wer mich und meinen Rhapsody-Musikerkollegen Alex Staropoli gut kennt, der weiß darum. Die Songs von Rhapsody waren seit jeher auf massive Weise durch klassische Kino-Soundtracks beeinflusst. Das moderne Kino hat jedoch auch eine Unmenge an brauchbaren Soundtracks zu bieten, von denen ich eine Vielzahl liebe. Was lag mir da also näher, als auch dieser Passion meinen angemessenen Tribut zu zollen?“

© Markus Eck, 30.05.2006

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