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Interview: DYRATHOR
Titel: Den alten Sagen nach

Mit ihrer aktuellen Demonstrationsscheibe „Memories In Frost“ legen diese relativ jungen Pagan Black Metal-Enthusiasten mit dem signifikanten Hang zu alttraditioneller Folklore bereits eine vergleichsweise reife künstlerische Leistung vor.

Was hier wie der Bandname einer technisch ausgerichteten Todesblei-Brigade klingt, das leitet diese heißblütige Bardenrotte aus der Edda ab.

Dyrathor nämlich (in diesem Falle eine leichte Abwandlung des dort ursprünglichen verwendeten Dyrathror) wird dort eine der vier Hirschkühe genannt, die sich an den köstlichen Wurzeln der altmythischen Weltenesche Yggrassil den Appetit stillen. Und die aus dem Westfalenland stammende Mit-dem-Heidenkopf-durch-die-Wand-Horde beweist dabei auch eindrucksvoll, dass dem Genre der idealistisch geprägte Nachwuchs noch lange nicht ausgehen wird.

Ganz im Gegenteil also: Das beflissen vorgehende Sextett lässt mich durch sein zwar frenetisch haltloses, aber trotzdem jederzeit anspruchsvolles musikalisches Treiben in diesem Kontext noch auf Vieles hoffen.

2006 ging es los, und mittlerweile haben die Kerle bereits beinahe vollständig zu ihrem eigenen Stil gefunden, wie „Memories In Frost“ allzu deutlich vernehmen lässt.

Ihren allerersten Bühnenauftritt hatten Dyrathor am 30. November 2007 im Saint in Oberhausen, zusammen mit den bekannten Metier-Protagonisten Black Messiah, Obscurity und Minjar.

Mein allererstes Dyrathor-Interview hingegen bestreite ich mit Vokalist Morguul.

„Unser Antrieb für genau diese Art Musik liegt darin, dass wir eine sehr an der Heimat interessierte Truppe sind. Klar, die Ideen für unsere Texte kommen nicht von ungefähr. Wie jede andere Band, haben auch wir unsere Vorbilder aber dennoch wollten wir irgendwo was ganz Eigenes kreieren, was trotzdem unseren Vorstellungen in Sachen "Heiden Metal" gerecht wird. Also haben wir uns alle Elemente die wir an jeder Art von Metal schätzen zusammengesucht und sie versucht zu kombinieren, was meiner Meinung nach recht gut geklappt hat [lacht]. Die Werke anderer "Heiden Metal" Bands haben uns immer gut gefallen, doch verfiel man oft in eine Schiene und innerhalb der Musik gab es keine große Innovation mehr.“

Und da der ambitionierten Gruppe eben die germanische Mythologie mit all ihren Facetten und Geheimnissen nach wie vor sehr am Herzen liegt, so der Sänger, wollten Dyrathor dem einen neuen Antriebswind geben.

„Gerade auf Grund dieser Aspekte, und weil wir uns nicht eine Genreschublade stecken lassen wollten, haben wir beschlossen unserem Stil einen eigenen Namen zu geben – `Northern Storm Metal`.“

Wie der Sänger im Weiteren berichtet, kennen sich die Beteiligten allesamt schon sehr lange. „Skrall, Atrox und ich waren schon zusammen in der Grundschule und für den Rest der Band gilt dasselbige. Wir teilen alle denselben Musikgeschmack und so haben wir schnell zueinander gefunden, letztlich sogar eine gemeinsame Band gegründet. Klar versteht man sich nicht immer perfekt und es gibt Meinungsverschiedenheiten, da jeder irgendwo seinen Willen durchbringen will, aber ich denke so etwas ist ganz normal und gehört zum Bandalltag dazu [lacht]. Hauptsache der Zusammenhalt stimmt und kleinere Auseinandersetzungen stärken diesen nur. Allerdings hat sich schnell der feste Kern unserer Truppe herauskristallisiert. Nach einer gemeinsamen Reise nach Norwegen im Jahr 2007 verließ unser damaliger Keyboarder Joerg die Band. Wir hatten ohnehin gemerkt, dass wir nicht gut weiter zusammen musizieren konnten und weitere Versuche hätten der Stimmung innerhalb Dyrathor’s daher nur geschadet. Leider haben wir uns im Streit getrennt. Der Zusammenhalt der aktuellen Besetzung von Dyrathor ist hervorragend, jeder hat bei uns seinen individuellen Aufgabenbereich und so funktioniert die Kooperation innerhalb der Band tadellos. Ich bin mit meiner Horde also sehr zufrieden“, lässt mich der Kehlenartist freudig grinsend wissen.

Für das Schreiben der Lieder ist bei den westfälischen Grimm-Barden einzig und allein Gitarrist Skrall verantwortlich. Er liefert das Grundkonzept und stellt es dem Rest der Band dann jeweilig vor, so Morguul.

„Jeder hat bei den Proben die Chance seine Vorschläge mit einzubringen und so kreieren wir die Stücke im Endschliff alle zusammen. Die Lyrik wird im größten Teil von meiner Seite beigesteuert; da wir uns auf heimatliche Sagen und historische Geschehnisse konzentrieren wollen, drehen sich daher viele Texte um den westfälischen Raum. Da wir an unsern Liedern immer wieder arbeiten und eigentlich noch ständig irgendwo was verändert beziehungsweise verbessert wird, hat es ziemlich lang gedauert bis wir, aus unserer Sicht, genug Songs für eine anständige Demo-Produktion zusammen hatten. Wir spielen seit Mitte 2006 zusammen und Anfang 2008 gab es die erste richtige Demo unsererseits mit fünf Tracks – das ist schon ein ordentlicher Zeitraum. Klar hätten wir schon einige Tracks mehr machen können, aber wir haben viele Liedideen wieder verworfen oder sie teilweise in andern Songs untergebracht. Wir wollten halt nichts Halbherziges und schnell zusammen Gebasteltes abliefern, jeder Song sollte in sich abwechslungsreich, stimmig und 100 % unser Stil sein!“ Genau, so soll es sein.

Viele haben bereits bei der Gruppe nachgefragt, warum die aktuelle Dyrathor-Liederscheibe denn den Titel „Demo 2007“ trägt, obwohl sie erst am neunten Februar 2008 veröffentlicht wurde. Mein Gesprächspartner stellt klar:

„Wir haben das Demo im Förderturm Studio in Gelsenkirchen eingespielt und produzieren lassen, womit wir sehr zufrieden sind. Doch angesichts der Tatsache, dass wir alle noch Schüler sind und von uns bis nach Gelsenkirchen ein paar Kilometer Entfernung liegen, hatten wir nicht immer die Möglichkeit uns jede Woche zu treffen. Das Einspielen des Demos war innerhalb einer Woche erledigt, doch das Mixen und Mastern hatte noch viel Zeit beansprucht. Ebenso waren es die ersten Aufnahmen in einem professionellen Studio für uns, weshalb sich auch noch zeitliche Verzögerungen einschlichen. Interessant wäre wohl auch noch wissen, warum wir dem Werk einen englischen Titel verpasst haben, obwohl alle Texte auf Deutsch sind: Der Titel für das Demo stand eigentlich schon relativ lang fest, da wir auch das Coverlayout schon fertig hatten, bevor überhaupt ein geeignetes Studio zur Aufnahme in Aussicht war. Als es allerdings soweit war, haben wir es zeitlich nicht mehr geschafft unseren einzigen englischen Titel "Memories In Frost" bis zur Produktion fertig zu stellen. Wir einigten uns daraufhin, das Demo ohne den fehlenden Track einzuspielen und den Titel der CD als Vorausdeutung für unseren nächsten Song zu nutzen. Im Übrigen kann ich sagen, dass der Titel "Memories In Frost" mittlerweile fertig gestellt und eingeprobt ist und wir ihn künftig auch live präsentieren werden.“

Das aktuelle Coverdesign der CD hat die Freundin des Schlagzeugers Thurin übernommen, was nach Ansicht von Morguul klasse geworden ist. Er resümiert schwärmend:

„Die ursprüngliche Idee, auch wenn es sich etwas skurril anhört, hat unser Drummer geträumt. (…) Wir haben ein paar Einzelheiten verändert und hinzugefügt – und so kam letztlich das aktuelle Cover heraus. Zu sehen ist eine Thingstätte in einem vereisten und zugeschneiten Tal, im Hintergrund ist das Arminius-Denkmal vom Teutoburger Wald zu sehen. Aussagen soll das Ganze unseren Bezug zur nordischen Mythologie, natürlich in Verbundenheit mit dem Titel "Memories In Frost", welcher die Kernaussage durchscheinen lässt. Die Begründung, warum Arminius seinen Platz in unserem Cover gefunden hat, legitimiert sich mit dem zweiten Track der Scheibe, genannt "Der Hinterhalt". Da wir hauptsächlich westfälische Sagen, beziehungsweise altgermanische Sagen, die sich auf den westfälischen Raum beziehen, verwenden, haben wir natürlich auch die Varusschlacht beim Teutoburgerwald wieder aufgegriffen. Wir wollen uns auch weiterhin hauptsächlich auf Westfalen beschränken, somit dient Arminiuns im Coverdesign sozusagen als Vorreiter für unsern einzuschlagenden lyrischen Weg.“

Zu Beginn haben Dyrathor damals noch einige Coversongs gespielt, so der Sänger, um erstmal ein Gefühl für die Ganze Sache zu entwickeln.

Doch nach wenigen Proben hatten sie bereits das Fundament für das hörenswerte Heidenlied "Im Auge des Sturms" auf die Beine gestellt und fleißig daran gewerkelt.

„Das wir in Richtung Pagan Metal gehen wollten, war für uns von Anfang klar, da es auch unserm favorisierten Musikgeschmack entgegenkam. Dennoch wollten wir irgendwie etwas anderes kreieren und nicht einfach nur Szenegrößen kopieren. So wurden die Liedideen von Stück zu Stück immer komplexer und jeder Einzelne von uns brachte seine ganz persönliche Note mit ein – wodurch bei uns auch jedes Instrument mal im Vordergrund steht. An den lyrischen Themen hat sich bei uns nichts geändert, wir sind und werden den Sagen und Göttern der alten Germanen treu bleiben und weiterhin von ihnen in unseren Liedern künden. Auch wenn dies vielleicht momentan einem gewissen "Trend" verfällt, hoffen wir nicht einfach in eine Schublade gesteckt zu werden.“

Ich frage nach, wie sehr diese Musikantengruppe mit dem vorliegenden Endresultat in CD-Form zufrieden ist. Morguul zieht die Stirn hoch: „Das ist immer so eine Sache; klar sind wir mit unserer ersten richtigen Demoproduktion zufrieden, doch es zeigt sich schnell wieder der Wunsch, bestimmte Dinge an den Liedern wieder zu ändern. Ich glaube daher, so richtig abschließen kann man einen Song als Musiker nie, weil man ihn ständig noch irgendwo verbessern könnte – aber irgendwann muss man es dabei belassen und ihn so nehmen wie er ist [lacht]. Positive Resonanzen für unser Demo haben wir bis jetzt fast durchweg erhalten, also haben wir wohl nicht allzu viel falsch gemacht.“

Wie sich im weiteren Gesprächsverlauf herausstellt, haben diese aufgeweckten westfälischen Individualisten anfangs wirklich sehr viel versucht, um ihren musikalischen Vorbildern in irgendeiner Weise gerecht zu werden.

„Wie bereits gesagt, wir haben anfangs viel gecovert, so haben uns sicherlich bekannte Formationen wie beispielsweise Equilibrium, Moonsorrow oder auch Black Messiah, aber auch Vertreter der thüringischen Pagan-Szene auf unserem Weg begleitet und inspiriert – und man wird auch noch ihre Einflüsse in unseren Liedern wieder finden. Dennoch wollten wir ein eigenes Stück Heimat mit in das Werk einbringen, was unsere Eigenständigkeit untermalen sollte, weswegen wir eben viel Wert auf die westfälischen Sagen legen. Wir hoffen in jedem Falle, die heidnische Metal-Szene in Westfalen zu stärken und weiter nach vorne bringen zu können. Bisher ist sie leider eher schwach auf der Brust, was schade ist, wenn man mal die ganzen Möglichkeiten bedenkt, die sich einem hier bieten.“

Die ersten Liedtexte von Dyrathor waren jedoch laut folgender Aussage von Morguul noch sehr allgemein gefasst und hatten nicht bewusst auf historische Ereignisse oder Sagen abgezielt, wie ich in Erfahrung bringen kann.

„Doch schnell war uns dabei auch klar, dass uns die weit verbreiteten Sagen einfach zu oberflächlich uns ausgeschlachtet schienen. Deswegen forschten wir in unserer Heimat und fanden viele wunderbare unbenutzte Quellen. Die Lyrik von "Der Hinterhalt" setzt sich beispielsweise mit dem raffinierten Sieg der Cherusker über die Römer und ihren Anführer Varus auseinander. In unserer Stadtmitte liegt ein Jahrhunderte alter germanischer Opferstein über den zahlreiche Sagen bekannt sind, auch diese werden wir künftig in unseren Liedern verarbeiten, so viel darf verraten sein. Und auch das wenige Kilometer von uns entfernte "Wodantal" werden wir nicht außer Acht lassen. Unser Interesse für die lyrischen Themen kommt also nicht nur von unseren musikalischen Vorbildern, sondern auch weil die Kultur unserer Ahnen bei uns im Raum noch allgegenwärtig ist. 500 Meter von unserm Wohnsitz entfernt befinden sich beispielsweise noch an die 20 Hügelgräber aus alter Zeit – Orte, über die nicht viel bekannt ist, aber die von Magie und Geheimnissen nur so strotzen.“

Ihren ersten Live-Auftritt spielten Dyrathor wie eingangs erwähnt zusammen mit Black Messiah, Obscurity und Minjar in Oberhausen, was laut Morguul eine große Ehre für seine Band war. Der Schreihals blickt zurück:

„Wir sind über Predi, den Veranstalter des Ultima Ratio Festivals und Mitglied der Band Minjar, an den Auftritt gekommen und waren beziehungsweise sind sehr stolz drauf, unsere ersten Live-Erfahrungen mit solchen Szenegrößen erleben zu dürfen. Klar waren wir dabei damals noch sichtlich nervös, da wir so gesehen noch gänzlich unerfahren in Bühnenaktivitäten waren, so haben sich auch ein paar Fehler eingeschlichen, aber es war dennoch ein erfolgreicher Abend. Es folgten noch zwei weitere Auftritte mit Minjar in Oberhausen und Rhauderfehn (Ostfriesland) auf denen wir weitere Erfahrungen sammelten. Für 2008 haben wir bereits zahlreiche neue Auftritte bestätigt bekommen. So werden wir am sechsten Juni 2008 zusammen mit Svartsot und Wolfchant im "Helvete" in Oberhausen, mit Black Messiah und so einigen Anderen auf dem Metal For Mercy Festival 2008 in Witten und mit Iuramentum im Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern) spielen. Man wird uns also noch öfters zu Gesicht bekommen“, entfährt es dem erstaunlich auskunftsfreudigen Vokalisten unter hoffnungsvollem Lachen.

„Wir haben uns fürs das Jahr 2008 einiges vorgenommen“, kommt Morguul zum Ende des Gespräches, „so versuchen wir genug Liedmaterial fertig zu stellen, um Anfang 2009 unser Debütalbum veröffentlichen zu können. Allerdings fehlt es noch an einem geeigneten Label, welches uns in der Finanzierung der Scheibe unterstützt. So steht also in diesem Jahr auch noch die Findung eines geeigneten Plattenvertrags an. Dennoch wollen wir unsere Live-Aktivitäten nicht flach fallen lassen und versuchen daher so viele Auftritte wie möglich zu organisieren und Angebote wahrzunehmen. Viele Freunde unterstützen uns dabei bereits tatkräftig, wofür wir sehr dankbar sind. Das Jahr 2008 wird also ein sehr arbeitsintensives und erlebnisreiches Jahr für Dyrathor werden, man darf gespannt sein.“

© Markus Eck, 14.04.2008

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