Interview: | EPICA |
Titel: | Ausbalancierter |
Mit ihrem zweiten Album „Consign To Oblivion“ liefern die erfolgreichen Niederländer um die attraktive Vokalistin Simone Simons nach dem 2003er Debüt „The Phantom Agony“ erneut eine reife Leistung an ebenso melodischem wie bombastisch arrangiertem Gothic Power Metal ab. Das eine eigenständige kreative Linie fahrende Sextett, dessen emotional betont facettenreiche und stellenweise operettenhafte Dramenmusik mittlerweile in der stilistischen Nähe zu Within Temptation anzusiedeln ist, überrascht auf diesem neuen Werk eins ums andere Mal mit erfrischenden Einfällen.
Überraschend druckvoll rhythmisiert und darauf ausgerichtet entsprechend produziert, liegt mit dem aktuellen Albumnachfolger ein enorm vielseitiges Edelwerk vor, welches abermalig eine breite Vielzahl an Hörern opulenter und epischer Metal-Sounds ansprechen dürfte.
Gitarrist Ad Sluijter, zum Interviewzeitpunkt gerade mit Epica auf Europatour, informiert mich aus Barcelona zur neuen Veröffentlichung seiner Mannschaft.
„`Consign To Oblivion` ist nicht nur in Sachen Gesamtsound meiner Ansicht nach um einiges ausbalancierter als das vorherige Album ausgefallen, auch die Songs wurden besser zueinander in Einklang gebracht. Sogar die Arrangements haben wir diesmal besser auf die einzelnen Songs zuschneiden können.“
So ist das aktuelle Album von Epica seines eigenen Empfindens nach zwar einerseits kommerzieller als das vorherige ausgefallen, auf der anderen Seite sind aber auch Lieder entstanden, die wohl alles andere als für die Masse tauglich geworden sind, erzählt er mir.
„Doch genauso genommen stellt unsere neue Scheibe für uns zumindest eine nur natürliche Weiterentwicklung unserer Musik dar. In diesem Zuge gestalteten wir die Streicher-Arrangements noch mächtiger und opulenter.“
Meine anschließend gestellte Frage danach, was die Band so alles nach dem Erscheinen von „The Phantom Agony“ getrieben hat, brachte eine überraschende Antwort mit sich:
„Nun, auf der faulen Haut sind wir ganz gewiss nicht gelegen. So spielten wir nach dem Release des Debüts knapp über 150 Live-Shows, das war mitunter ganz schön Kräfte zehrend. Momentan sind wir mit den Bands Kamelot und Kotipelto unterwegs, es stehen 15 bis 16 Shows auf dem Tourplan. Heute ist hier in Barcelona unsere vierte Station. Wir werden auch hier wieder zwei neue Songs von `Consign To Oblivion` spielen, und zwar `The Last Crusade` und `Quietus`.“
Ein guter Anhaltspunkt, um ein wenig auf die lyrischen Thematiken der neuen Kompositionen einzugehen. Der Gitarrist offenbart in diesem Zuge:
„Der Text zu `The Last Crusade` beispielsweise ist aus der altgriechischen Mythologie entlehnt. Ein Teil-Konzept des Albums basiert dabei sowieso auf der Grundlage eines herannahenden neuen Zeitalters. Die Idee dazu stammt von unserem Bandleader, Maincomposer und ersten Gitarristen Mark Jansen, der sich dabei von den prophetischen Mythen uralter Hochkulturen wie auch den Majas und Inkas inspirieren ließ. Dies umfasst speziell die vier Stücke `Hunab K´u` – A New Age Dawns ~ Prologue, `The Last Crusade` – A New Age Dawns #1, `Mother Of Light` – A New Age Dawns #2 sowie den als `A New Age Dawns #3` hinterlegten Titelsong `Consign To Oblivion`. Man kann diese spezielle thematische Direktive auch schon anhand des darauf zugeschnittenen Albumcovers ausmachen. Mark hatte schon immer ein ausgesprochenes Faible für die Antike und ihre vielen Religionen beziehungsweise Vorhersagungen.“
Ich bitte meinen Interviewpartner darum, in die Tiefe zu gehen. Und Ad lässt sich zum Glück auch nicht lange darum bitten:
„Die lyrische Idee hinter dem Titeltrack `Consign To Oblivion` basiert darauf, dass die Welt der Moderne immer und immer mehr dem Diktat des Stresses unterworfen wird, sich unterwerfen lässt. Doch eigentlich zwingt die Menschen niemand dazu, sich selbst so verrückt zu machen. Doch anscheinend liegt es in der Natur des Menschen, immer noch schneller und dabei primär in allem noch besser sein zu wollen. Die zentrale Botschaft des Liedes lautet daher eindeutig: `Leute, bringt doch nicht noch mehr Hektik in eure Leben ein, es ist doch ohnehin schon genug!` `The Last Crusade` hingegen dreht sich um die immer mehr schwindende Zahl an wirklichen und ehrlichen Verfechtern des christlichen Glaubens.“
Die Neuzeit und das Streben nach Macht und Reichtum brachte dieser Religion und ihren eigentlich guten Grundgedanken mehr und mehr Verderben mit sich, so Ad weiter.
„Laut dem Songtext werden sich auf dieser Ebene in absehbarer Zeit aber massive Veränderungen ereignen. Ich persönlich finde, man sollte den christlichen Glauben trotzdem nicht aufgrund derjenigen, die ihn lediglich zu ihrem eigenen Macht- und Reichtumsvorteil ausnutzen, komplett verdammen. Denn das Christentum bietet seinen Anhängern wertvolle und wichtige Aspekte, das Leben in dieser Welt besser und harmonischer zu gestalten. Ich glaube jedenfalls auf meine ganz eigene Weise daran. Und ich muss dazu nicht jeden Tag dreimal in die Kirche rennen.“
Für die zuvor genannten „wertvollen und wichtigen Aspekte“ hätte die Menschheit laut Auffassung des Autors jedoch keinen christlichen Irrglauben benötigt, wenn man ihr zuvor nicht durch listige Verführung die Vernunft geraubt hätte. Doch wieder zu Epica: Die restlichen Songtexte wurden von Mezzo-Sopranistin Simone verfasst, wie noch in Erfahrung zu bringen ist.
„Sie schreibt, ganz im Gegensatz zum historisch sehr interessierten Mark, ausschließlich über das Leben; genau genommen über ganz gewisse Situationen, welche sie selbst erlebt hat und die sie auf die eine oder andere Art und Weise bewegen.“
Saitenvirtuose Mark Jansen schrieb die allermeisten der neuen Songs wieder vorab, ausgearbeitet wurden sie dann von der Band in Gemeinschaft, wie Ad abschließend, voller Respekt vor Mark, erzählt.
© Markus Eck, 25.03.2005
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