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Interview: GOD DETHRONED
Titel: Weltkritische Lyrik

Nach Ihrem letzten 2001er Albumwerk „Ravenous“ melden sich Sänger und Saitensadist Henri Sattler, Gitarrenschinder Jens van der Valk, Tieftöner Beef und Kesselquäler Ariën endlich wieder zu Wort beziehungsweise zu Gebrüll. God Dethroned können als feste Institution gesehen werden. Sie sind bereits seit 1991 im unheiligen Dienste des härtesten Blackened Death Metal tätig.

Als die beständige Schädelspalter-Truppe damals von Idealist Henri ins Dasein gerufen wurde, war das Feld dieser Musikrichtung bekanntermaßen noch nicht so reich bestellt wie heute. Umso größer ist daher meine Anerkennung für die vier versierten holländischen Prügelmeister. Denn in diesem „steinharten“ Geschäft haben es vergleichsweise nur wenige Acts geschafft, sich mit solch extremen Klängen so lange über Eiswasser zu halten.

Nun ballert das hörenswerte Todesquartett auf seinem neuen Albumkiller „Into The Lungs Of Hell“ acht absolute Death Metal-Volltreffer aus der Hüfte, welche God Dethroned erneut als enorm fähige Leichenkapelle offenbaren.

„Das Gesamtkonzept von `Into The Lungs Of Hell` kann mehr oder weniger als `kritischer Blick auf die heutige Weltsituation` gesehen werden. Wir sahen Religionen schon seit jeher als Kriegsursache, doch stellten wir diese Ansicht nicht offensichtlich zur Schau. So ließen wir uns bisher in den Lyrics unserer Songs mit einer gehörigen Portion Sarkasmus über biblische Inhalte aus. Doch dieses Mal verarbeiteten wir einfach gesagt unseren realistischen weltlichen Blickwinkel und schrieben unsere entstandenen Gefühle darüber in leichter und vor allem verständlicher Art und Weise nieder. Die meisten der aktuellen Songtexte entstanden direkt während der Recording-Sessions; irgendwie war ich gerade dort sehr inspiriert. Wir nahmen nämlich das erste Mal außerhalb Hollands auf, weswegen wir ganze zwei Wochen im Studio verbrachten. Dort hatten wir keine Möglichkeit, irgend etwas Anderes zu tun – wodurch ich eine ganze Menge Zeit zum Nachdenken hatte“, berichtet Henri Sattler eingangs zum neuen Sterbe-Opus von God Dethroned.

„Die Philosophie hinter God Dethroned ist einfach: Wir sehen die Bibel lediglich als ein Buch mit Geschichten darin und nicht als bindendes Gesetz. Die christliche Religion benutzt die Bibel als geltendes Gesetz, wodurch sich bislang unermesslich viele Menschen in einigen Abschnitten der Geschichtsschreibung gegenseitig umgebracht haben. Da sind wir einfach dagegen, was unsere Texte von Anfang an reflektierten.“

Er knüpft hinsichtlich der Bedeutung des aktuellen Albumtitels an:

„Der ist offensichtlich, wenn man das Albumcover ansieht. Schon Nostradamus sagte einst vorher, dass dieses Jahrhundert von terroristischen Attacken geprägt sein wird. Und es sollte sich bewahrheiten, wie man an der neuzeitlichen Vielzahl an weltweiten Selbstmordattentaten oder dem verheerenden Attentat auf das World Trade Center und vielem Vergleichbarem mehr gesehen hat. So schrieb ich einen Text darüber, wie es in der Hölle sein könnte. Aber ich verfasste ihn in einem sehr offenen Stil, do dass jeder sich selbst ein individuelles Bild davon machen kann.“

Auf „Into The Lungs Of Hell“ agieren God Dethroned deutlich hörbar um einiges variabler als noch in ihrer musikalischen Vergangenheit, wie mir Henri offenbart.

„Wir fühlten, dass die Zeit für eine kreative Veränderung gekommen war. God Dethroned lieferten so viele superschnelle Songs in der Vergangenheit, so wollten wir diesmal etwas mehr an Abwechslung in die Tracks einfließen lassen. Die meisten Leute kennen uns als eine schnell spielende Combo, aber man schätzt und mag uns auch als melodisch orientierte Band. Diese Trademarks haben wir beibehalten, doch die Geschwindigkeit der Songs auch hin und wieder etwas zurückgefahren. So kommen die extremen Parts noch extremer rüber.“

Letzteres ist ebenso nachvollziehbar wie Henris Freude über den neuen Schlagwerker in God Dethroned.

„Endlich haben genau den Drummer in der Band, den wir schon immer brauchten. Der begabt und fit genug ist, alle Bestandteile unserer Stücke in den richtigen rhythmischen Proportionen zu spielen. Auf dem `Ravenous`-Album hatten wir das Problem, keinen offiziellen Stickswinger aufweisen zu können. So fragten wir bei Tony von Nile an, welcher uns auch half. Er erledigte einen großartigen Job, doch jedermann kennt seinen Stil. Es war in erster Linie Tony zuzuschreiben, dass `Ravenous` dermaßen brutal klingt. Jedoch vermissten wir ein wenig die großartigen Atmosphären, welche wir beispielsweise auf unseren Alben wie `The Grand Grimoire` oder `Bloody Blasphemy` aufwiesen. Mit unserem neuen Mann an den Fellen sieht es aber nun so aus, dass alles wieder perfekt passt.“

Zieht man also einen direkten Vergleich vom Albumvorgänger „Ravenous“ zum neuen Ohrenmörder „Into The Lungs Of Hell“, bemerkt man einen deutlichen kompositorischen Unterschied, wie Henri zustimmt.

„Auf `Ravenous` ließen wir nur Platz für Geschwindigkeit und Brutalität. Auf dem neuen Album verarbeiteten wir jedoch diesmal so viele wirklich großartige Ideen, Melodien und Mid Tempo-Parts. Nun haben unsere Fans endlich einmal die Möglichkeit, beim Bangen eine Verschnaufpause zu erhalten und den Slamming Pit heimzusuchen. Immer nur schnell zu spielen, wird mit der Zeit extrem langweilig – zudem haben wir ja sowieso genug schnelle Stücke von unseren vorherigen Alben im Programm, die wir live bieten können.“

Als es um die inspirativen Quellen für den Sound von God Dethroned geht, verkündet der Chef scherzend:

„Frustration, schätze ich. Aber im Ernst: So genau kann ich das gar nicht sagen. Keine Ahnung. Unumstößlicher Fakt ist, dass wir uns eine ganze Menge an unterschiedlichster Musik reinziehen, um inspiriert zu werden.“

Dies will ich von Henri dann doch noch ein wenig präzisiert haben. Doch der wehrt ab:

„Ich gebe die Namen der Bands wohl besser nicht preis, die wir uns so anhören. Denn man würde es nicht verstehen. Doch soviel sei gesagt: Immer nur extremem Death Metal sein Gehör zu schenken, bringt meiner Meinung nach keine frischen Ideen in den kreativen Musikergeist.“

Kreativ ist er ohne Zweifel, wie der Mann vorgibt: „Ich bin ein Denker, der trotzdem glücklich mit seinem Leben ist, wie es ist.“ Schon seit längerer Zeit bin ich neugierig auf die alte und auch die heutige Bedeutung des Bandnamens. Henri gibt abschließend bereitwillig Auskunft darüber:

„Der Bandname entstand ganz zu Beginn unserer Karriere. Wir wollten zu Anfang einen in erster Linie brutal klingenden Bandnamen haben. Wir dachten seit jeher, Religionen sind Mist – was in unseren Lyrics auch deutlich zum Ausdruck kam und es heute noch tut. Aber du hast recht: Unser Bandname ist nach wie vor antireligiös.“ Deswegen gefällt er mir besonders gut.

© Markus Eck, 18.01.2003

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