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Interview: HANGATYR
Titel: Heidentum im Herzen

Hört man die erhebend beherzten Kompositionen ihres aktuellen Debütalbums „Helwege“, fällt es umso schwerer, sich mit all dem üblen gesellschaftlichen Irrsinn der Gegenwart überhaupt noch ansatzweise auseinanderzusetzen.

Hochintensiven Pagan Black Metal der angenehm überlegten und dadurch variantenreichen Niveausorte bietet diese feinmelodisch angelegte Individualistenscheibe nämlich, zweifellos zeitlos hochwertige Heidenmetallmusik für passionierte Kenner.

Dermaßen inbrünstig, derart hochemotional und so restlos beseelt von der Liebe zu alten heidnischen Mythen und zur Natur wie die Thüringer Hangatyr gehen nur die wenigsten Kapellen aus diesem Bereich vor. Doch diese sehr versierten ostdeutschen Stimmungsspezialisten wissen genau, wie man solcherlei Art von Stilistik mit heftig pulsierendem Eigenleben erfüllt.

Durch und durch innigliches Liedgut von gigantischer klanglicher Tragweite ist die erfreuliche Folge. Selbst in den spirituell-besinnlichen Passagen weiß das Könnerquintett mit aller Ernsthaftigkeit vollauf zu überzeugen. Gitarrist Tele nahm sich gerne Zeit für ein ergiebiges Zwiegespräch.

„Gegründet wurde Hangatyr im Frühjahr 2006. Am Anfang geht es natürlich immer schleppend voran, aber mittlerweile sind wir schon ein wenig herumgekommen und ich denke, auch dem einen oder anderen in Erinnerung geblieben. Resonanzen auf unsere Gigs waren eigentlich schon immer recht gut, wobei der ein oder andere Auftritt besser hätte besucht sein können. Ich denke, wir können mit dem was wir haben zufrieden sein. Die Frage ist immer, wie man "Erfolg" definiert. Für uns ist es ein Erfolg, einen tollen Gig zu haben und ein Publikum, das dies genauso empfindet. Das treibt uns an und bedeutet uns viel“, weiß mir der Saitenspieler auf meine entsprechende Frage hin zu berichten.

Was genau erwartet die Hörer auf musikalischer Ebene auf dem aktuellen Album? „Nun, in erster Linie ehrlicher Black Metal, als grundsätzliche Richtung. Dazu kommen Einflüsse aus dem Pagan Metal-Bereich. Ansonsten mag ich diese Schubladen nicht. Es erwartet den Hörer ein wie ich finde abwechslungsreiches Metal-Album, was sich nicht wirklich in ein Genre sortieren lässt, es gibt viele Einflüsse, die für uns einfach dazu gehören. Es ist einfach so, dass die Songs geschrieben werden und uns einfach gefallen müssen. Unabhängig davon, ob sie jetzt zu uns "passen" oder nicht. Du findest viele Facetten auf dem Album, ruhige Parts, schnelle Riffs, verspielte Akustikpassagen – schwer zu erklären, das muss man hören beziehungsweise erleben.“

Wir sprachen anschließend über die musikalischen Einflüsse für die Hangatyr-Hymnen. Tele hierzu: „Gut, da kann ich jetzt nur für mich reden. Mich beeinflussen oftmals weniger bestimmte Riffs oder Songs, sondern eher ein Grundgefühl, was ich für den Song habe. Da ich meist meine Parts einbringe, wenn schon ein Teil des jeweiligen Songs steht – entwickelt sich ein Feeling für den Song, auf dem ich dann aufbaue. Ansonsten denke ich, da spreche ich auch für die anderen, beeinflusst einen irgendwie immer der momentane Musikgeschmack, selbst wenn das nur unterbewusst passiert.“

Das Songwriting läuft bei dieser kompetenten Horde eigentlich meist nach demselben Schemata ab, wie in Erfahrung zu bringen war: „Gitarrist Ali bastelt meist allein an neuen Riffs, die dann in der Probe zu einem Ganzen zusammengefügt werden – je nachdem, was nicht passt, fliegt raus oder wird zumindest auf Eis gelegt. Dann ist der nächste Schritt, den Song zu strukturieren – hier steigt dann Micha in die Komposition mit ein für das Schlagzeug. Und dann kommt der schwierige Teil für die anderen – warten, bis ich irgendetwas finde, was man dazu spielen kann. [lacht] Danach wird dann ein paar Mal dieser Rohling durchgespielt und anschließend geschliffen – also solange kleine Änderungen vorgenommen, bis alle zufrieden sind. Nachfolgend wird die Bass-Spur ausgearbeitet. Der meist letzte Schritt ist dann der Text, den unser Silvio dazu schreibt. In den meisten Fällen hat er während des Songwritings schon eine Idee, die dann auf den jeweiligen Song passend ausgearbeitet wird. Im Falle von "Helwege" sind die Stücke eines nach dem anderen geschrieben worden; sehr selten also überhaupt, dass wir parallel an zwei oder mehreren Songs arbeiten. Außerdem entstehen die Songs zu einem sehr hohen Prozentsatz in Gemeinschaftsarbeit – also während der Proben. Das macht das ganze zwar weniger professionell, als wenn jeder seinen Teil zuhause macht, aber das macht es auch viel kreativer und dynamischer. Und wie ich finde, auch authentischer.“

Wie hoch insgesamt der Gitarrist seine künstlerischen Ziele für das aktuelle Werk angesiedelt hatte, dieser Frage hatte er sich im Folgenden zu stellen.

„Ich wollte ein Album haben, mit dem wir als Band alle zufrieden sind. Für mich persönlich gab es kein bestimmtes Ideal, kein Ziel in dem Sinne. Ich wollte für mich zufrieden sein, mit dem was ich beitragen konnte. Nachdem ich diese Scheibe nun in den Händen halte, bin ich zufrieden und die Erwartungen sind aus meiner Sicht erfüllt. Einziger Punkt ist eigentlich der neunte Song, der leider nicht rechtzeitig fertig geworden ist. Das war ein Kompromiss, den wir eingehen mussten. Ansonsten sage ich es mal so: Solange ich nicht 100%ig zufrieden bin, ist das gut. Denn dann ist es ein Grund weiterzumachen“, verlässt es lachend den Mund des Kerls.

Das Hauptthema auf der aktuellen Veröffentlichung ist, wie beim Albumtitel schon zu erwarten, die nordische Götterwelt, so Tele. „Silvio befasst sich viel und ernsthaft mit dem Thema und schreibt seine Interpretationen davon in seinen Texten nieder. Er verarbeitet auch persönliche Themen und packt diese auch in die Welt der alten Götter. Das ist im Endeffekt Inhalt und Thema aller Lyriken. Wobei "Helwege" trotz allem kein Konzeptalbum ist. Jeder Text ist eine Geschichte für sich ... und lässt auch Freiraum für eigene Interpretationen des geneigten Lesers beziehungsweise Hörers.“

Das weltweite Pagan Black Metal-Genre: Worin beziehungsweise in welcher Position sehen sich Hangatyr inmitten des Ganzen? „Irgendwo zwischen Untergrund und Rockstar! [grinst] Nein, im Ernst: Schwer zu sagen. Es ist für mich auch nicht wirklich wichtig. Wir sind Teil des Ganzen. Welche "Position" wir innehaben liegt im Auge des Betrachters. Ich persönlich meine, wir sind nicht die am meisten Unbekannten. Mehr maße ich mir hier nicht an.“

Sein persönliches Heidentum ist für Saitenmeister Tele real, das steht für ihn fest. „Ich finde das Thema an sich sehr interessant, mein persönliches Heidentum findet allerdings mehr in meinem Kopf statt. Ich lebe es nicht kompromisslos aus wie manche andere. Aber das Heidentum ist eine Sache, die einem einfach die Sicht der Dinge erweitert. Es gibt viele Dinge, die wir daraus lernen können. Aber das muss jeder mit sich selbst ausmachen. Was die Band angeht: Da kann ich nur sicher von Silvio sagen, dass er es, vermutlich weit intensiver als ich selbst, lebt und erlebt.“

Das „heraus gegebene Saisonziel“ der Gruppe war, so Tele, einen Gig mehr zu haben als 2009.

„Kein Scherz. Das heißt in Zahlen: Zehn Auftritte. Nachdem wir aber für unsere Verhältnisse sehr hoch frequentiert unterwegs sind momentan, sollte das kein Problem sein. Ich hoffe, dass wir in den nächsten Wochen die Gelegenheit bekommen, das aktuelle Werk ordentlich präsentieren zu können. Und ich würde lügen, wenn nicht auch die Bestätigung von der Publikumsseite her für uns wichtig ist. Zwischenzeitlich werden wir immer wieder versuchen, an neuen Songs zu arbeiten.“

Apropos, momentan stehen laut seiner anschließenden Aussage bei Hangatyr ein paar Gastspiele an, die auch mal wieder über die Grenzen Thüringens hinausgehen:

„Zum einen im Dark7side in Berlin und zum anderen im Meltdown in Stralsund. Wir freuen uns eigentlich über jeden Auftritt, den wir kriegen können. Ich glaube für Hangatyr ist aber einer der erwartungsvollsten in nächster Zeit das Riedfest im Juli in Rohr. Für den Rest des Jahres sind noch ein paar Sachen in Planung und in Absprache, jedoch kann ich da noch nichts Genaues berichten. Die aktuellen Termine sind immer auf unserer Myspace-Seite zu finden.“

Wie sieht eigentlich ein idealer Tag für einen solchen Menschen aus? Er konstatiert: „Gibt es für mich nicht. Aber wenn, kommt in dem "idealen" Tag ein Hangatyr-Gig drin vor. Und dieser Tag müsste wenigstens 72 Stunden haben.“

Und, kennt einer wie er, der so sehr in der eigenen Musik aufgeht, denn überhaupt so was wie echten Frust? Es folgt pure Aufrichtigkeit: „Oh ja, sehr sogar. Das ist aber vielleicht auch ein Weg, eben Frust mittels der Musik abzubauen. Ich rede jetzt natürlich von alltäglichen Dingen. Wenn es rein um die Musik geht, gibt es das eigentlich sehr selten. Klar passiert es, dass mein Anspruch an mich selbst mal wieder zu hoch war und ich irgendwas ewig nicht hinbekomme. Aber wirklich als Frust würde ich das nicht bezeichnen. Ich wette, wenn der Rest der Band das hier jetzt liest, sind alle am Grinsen, da ich eigentlich immer was zu meckern und zu nörgeln hab“, lässt er mit breitem Grinsen verlauten.

Gibt es daneben Dinge, die ihn auf der anderen Seite auf dieser Welt immer wieder sehr erfreuen? Der Gitarrist runzelt rasch die Stirn: „Oh. Jetzt hast du mich. Was freut mich?! Auf dieser Welt? Da muss ich passen. Bleibt mir nur noch, mich bei dir für das Interview zu bedanken.“

© Markus Eck, 14.03.2010

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