Interview: | IHSAHN |
Titel: | Erfolgreiche Bescheidenheit |
Sein neues Werk „Arktis.“ rückt das musikalische Antlitz des ehemaligen Emperor-Musikers in merklich anderen Gesichtszügen ins Licht der Öffentlichkeit. Die zehn Songs dieses sechsten Albums unterscheiden sich signifikant von allem, was der außergewöhnliche norwegische Künstler als Solist bislang an den Start brachte.
Der extreme Metal-Anteil wurde ein wenig dafür heruntergefahren, was jetzt mehr Platz macht für kontrolliertere Progressive Rock-Anteile. Regierte früher noch das vermeintlich Unkategorisierbare im Wesen seiner unangepassten Klänge, so führt einen Ihsahns weiter abwechslungsreiche Reise nun in nachvollziehbarer gewordene Gefilde.
„Die vorhergehenden fünf Alben waren eher spontaner Natur. Ich machte dafür betont improvisierende Sounds. Bevor ich an das Songwriting für ,Arktis.‘ ging, hatte ich jedoch eine klare Vorstellung wie das Endresultat werden soll. Mir schwebte dabei eindeutig ein kontrastierender Anspruch vor, mit dem sich das Werk von meinen anderen Veröffentlichungen abheben kann. Schnell war ich darauf hin mit mir einig, dass das Ganze auf betont traditionellem Pop- und Rock-Songwriting basieren sollte. Als ich mir diese Formel vornahm, ging alles wie von selbst. In dem Punkt arbeitete ich also wie immer bislang, auf eine sehr intuitive Art“, erzählt der mit bürgerlichem Namen als Vegard Sverre Tveitan Bekannte.
Er liebt es ohnehin nach wie vor, sich der eigenen Herausforderung zu stellen, wie er mit besonnener Stimme offenbart. „Ich wuchs in den 1980er Jahren auf, die stark von Pop- und Rockmusik geprägt waren. Es prägte meinen Alltag sozusagen. Da entstanden zahllose Ohrwürmer, Welthits etc. So etwas hatte ich auch im Sinn, allerdings mit individueller Vorstellung. Jeder neue Song sollte einer bestimmten Basisidee folgen, die selbst die jeweilige Produktion individuell beeinflusst. Mir gefiel der Grundgedanke von Anfang an sehr. So sollten gewissermaßen Persönlichkeiten in Liederform entstehen. Das Stück ,Until I Too Dissolve‘ ist sehr vom Metal beeinflusst und alles darin dreht sich um das markante Grundriff der Gitarre. ,South Winds‘ wiederum klingt zwar ziemlich elektronisch, folgt aber letztlich ebenfalls der Grundidee des Basis-Riffs.“
Dass die für ihn und sein aus der Masse herausragendes Schaffen so typische Komplexität auch auf der neuen Liederkollektion natürlich wieder ein markantes Merkmal darstellt, entspricht eben seiner Natur, konstatiert Ihsahn.
„Ja, ich habe schon immer meine ganz eigene, ganz persönlich angelegte Vorgehensweise beim Komponieren. Allerdings aber überwiegt das Komplexe, das Progressive in diesem Falle aber nicht. Man gerät dadurch schneller als sonst in die Tracks, wie ich finde. Einige sehr gute Freunde, auf deren Meinung ich viel gebe, haben mir das schon bestätigt, nachdem sie ,Arktis.‘ gehört haben. Mich freut das riesig.“
Wichtig war es ihm auch insbesondere, wie der 40-jährige mit bodenständigem Tonfall informiert, dass die Arrangements der Kompositionen möglichst gezielt auf den einzelnen Song zugeschnitten werden.
„Also eben nicht so, wie es auf Metal-Alben ja eigentlich üblich und typisch ist. Die Arbeit von und mit Jens Bogren in seinen schwedischen Fascination Street Studios, der das variantenreich konzipierte Mixing für ,Arktis.‘ machte, trug rundum fantastische Früchte. Die breit gefächerte Erfahrung, die er mittlerweile besitzt, kam meinen Kompositionen und den darin eingebrachten Einfällen und Intentionen vollauf zugute. Seine Vorgehensweise war exakt in meinem Sinne, er hat schnell verstanden, was genau ich diesmal haben wollte. So entstand ein ebenso modernes und anspruchsvolles wie wunderbar organisches Sounddesign. Die Kooperation mit Jens war spannend, inspirierend und überaus produktiv. Ständig entlockten wir den Stücken neue Aspekte und entdeckten dabei völlig neue Facetten. Es wurde dadurch wahrlich immer noch reizvoller, sich darin zu vertiefen. Ich liebe es einfach, wenn meine eigene Musik so ein pulsierendes Eigenleben entwickelt.“
Die Fragestellung, ob Ihsahn mit „Arktis.“ diesmal etwas kompatibler für den durchschnittlichen Metal-Hörerkreis geworden ist, bringt ihm zum Schmunzeln. „Das kann ich wirklich gar nicht sagen. Es ist ein Thema für sich. Sehr viel denke ich über diesen Kontext ehrlich gesagt ohnehin nicht nach. Es täte mir wahrscheinlich auch gar nicht so gut. Ich war sowieso jedes Mal aufs Neue freudig überrascht, wie gut meine vorherigen Alben insgesamt bei den Leuten doch ankamen! Damit war zu keiner Zeit zu rechnen, denn mein Material will irgendwie in kein vorhandenes Raster passen. Ich hätte mir also soviel Zuspruch und Erfolg niemals erwartet. Man muss dazu auch wissen: Meine Meinungen gleichen sich in den seltensten Fällen mit den Meinungen anderer. Derlei bestärkende und lobende Reaktionen wie auf meine Musik aber wirken da gleich doppelt so schön. Mich hat das immer wieder sehr stolz gemacht. Ein tolles, ein einzigartiges Gefühl.“
© Markus Eck, 20.03.2016
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