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Interview: LACRIMAS PROFUNDERE
Titel: Brennende Wünsche

Die einst überaus ergreifenden Gothic Metal spielenden Schwarzromantiker Lacrimas Profundere beschreiten auf ihrem aktuellen Album „Burning: A Wish“ weitestgehend neue Wege. Die bayerische Band mit dem einst so rauhen Gesang und der ständig durchschimmernden sensiblen Ader scheint sich nun deutlich freier und auch sehr viel besser in Melancholic Rock-Gefilden zu fühlen.

Auf „Burning: A Wish“ haben Lacrimas Profundere einem harmonischen und klaren Gesang ein merklich größeres Betätigungspodium geschaffen, auf dem sich auch eine etwas gedrosselte sonstige Gesamthärte hörbar ungezwungener entfalten kann.

Nur allzu deutlich zeichnet sich also auch der brennende Wunsch der Band nach neuen musikalischen Wegen auf diesem Album ab.

Solcherlei Streben gilt es auf den Grund zu gehen. Meinem Verhör setzt sich Gitarren-Allrounder Oliver Nikolas Schmid erneut furchtlos aus.

„Wir sind in alle Himmelsrichtungen verstreut, proben jedoch im bayerischen Waging am See. Metalbands gibt es hier nicht gerade viele. Auch sind wir von einer richtigen Szene weit entfernt. Aber das ist uns auch ganz recht so, denn so können wir uns unbeeinflußt entfalten“, wird mein Interesse nach der Herkunft und den dortigen Gegebenheiten gestillt.  

Oliver listet mir auch gleich noch die Historie seiner Kapelle auf:

„Wir existieren seit 1993, haben also schon eine gewisse Erfahrung in dieser Branche. `Burning: A Wish` ist unser vierter Fulltimer. Angefangen haben wir mit einer Art Demo-CD mit Namen `...And The Wings Embraced Us`, welche 1995 veröffentlicht wurde. Mit dieser war es uns dann möglich einen Deal mit Witchhunt Records zu unterschreiben und wir brachten über diese 1997 `La Naissance Dún Reve` auf den Markt. Anschließend wechselten wir zu Napalm Records und veröffentlichten 1999 `Memorandum` und jetzt `Burning: A Wish`. Meine Beweggründe waren zu Beginn, daß ich damals wie heute Paradise Lost vergöttert habe; ganz besonders deren Album `Shades Of God`. Jedoch gab es damals keine Combos, welche einen derartigen Sound spielten, und so mußte ich einfach selbst eine Band gründen. Lacrimas waren geboren.“   

Auf dem neuen Release werden viele alte Fans erst einmal eine Menge unerwartet Neues zu entdecken haben. „Was die aktuellen Veränderungen anbelangt: Es ist einfach so, daß wir an einem Punkt angelangt waren wo ich fand, mit unseren Vorgängeralben alles in dieser Stilistik gesagt zu haben und es Zeit wurde, sich etwas abzugrenzen. Christopher hatte bereits unmittelbar nach den Aufnahmen zu `Memorandum` keinen Bock mehr auf Growls, so habe ich das Songwriting etwas umgestellt. Um den cleanen Vocals mehr Freiraum einzuräumen, was dann das Ganze meiner Meinung nach mehr rock-orientierter erscheinen läßt. Wir hatten schon seit längerem das Gefühl, mal etwas anderes ausprobieren zu müssen. Außerdem hätten die klassischen Instrumente auch nicht zu dem neuen Material gepaßt.“   

Das resultierte doch aber wohl hoffentlich nicht aus berechnendem Kalkül hinsichtlich besserer Absatzchancen für das neue Produkt heraus, oder?

„Nein, absolut nicht. Wir sind alle nach wie vor immer noch sehr zufrieden mit `Memorandum`. Die Reviews waren überwiegend allesamt gut bis sehr gut, wir hatten massives Airplay und in den USA haben wir es mit dem Song `...And How To Drown In Your Arms` sogar bis auf Platz drei der Metal-Charts geschafft. Das Album lief vor allem in Südamerika und auch Japan wirklich hervorragend“, widerlegt der Gitarrist solcherlei Vermutungen.   

Oliver hält wenig davon, die neue musikalische Direktive von Lacrimas Profundere mit großen und ausufernden Worten darzulegen.

„Eigentlich würde ich unsere Mucke als Gothic Rock beschrieben. Eine Interpretation von unserer Seite ist nicht so gut, da die Leute sich ein eigenes Bild von den musikalischen Landschaften machen, sich in die Musik hineinversetzen und treiben lassen sollen. Leider ist es sehr schwer, sich in die jeweiligen Schubladen wie Gothic, Rock, Metal etc. zu begeben. Ich sehe unseren Sound als eine Art Mix aus Bands wie Katatonia, Anathema, Paradise Lost, My Dying Bride auf der einen Seite und Pink Floyd oder Depeche Mode auf der anderen. Wir sehen uns definitiv als einen Teil der Gothic-Szene. Wo wir aber letztendlich dort stehen, entscheiden natürlich nicht zuletzt die Fans.“   

Die neuen Stücke klingen vielfältiger und durchdachter denn je, aber auch irgendwie gewöhnungsbedürftiger.

Anscheinend hat die gesamte Band ein gezieltes Brainstorming betrieben.

„Die Songs stammen aus meiner Feder, wobei `A Summer`s End` und `Morning... Grey` von unserem Keyboarder Christian verfaßt wurden. Meine Inspiration ist, so abgedroschen das auch klingen mag, das Leben an sich; die Realität. Alles was sich um dich herum abspielt, inspiriert in irgendeiner Weise. Ursprünglich war tatsächlich ein Konzeptalbum geplant. Jedoch hatten wir nicht mehr genügend Zeit um dies entsprechend umzusetzen, eventuell beim nächsten Album. Doch steht die Musik im Vordergrund und die Lyrics kleiden diese lediglich entsprechend ein. Das Grundthema würde ich mit den Worten Hoffnung, Schönheit und Untergang beschreiben. Die Lacrimas Profundere-Lyrics stammen von meinen Bruder Christopher, unserem Sänger. Ich glaube, daß wir uns weniger der Mystik, sondern mehr der Musik verschrieben haben. Es gilt aber, der Realität zu entkommen. Der geistige Zustand der Erdenbewohner ist wohl in diesen ach so herrlichen `Big Brother`-Zeiten auf ein Minimum geschrumpft; die Leute himmeln irgendwelche Normalos an, die den ganzen lieben langen Tag nichts weiter zu tun haben, als sich gegenseitig das Leben schwer zu machen. Was ich in Sachen Musik auch beim besten Willen nicht verstehen kann, ist, daß viele Leute den ganzen Tag, sei es nun im Büro oder sonst wo, mit Belanglosigkeiten aus dem Radio zugedröhnt werden. Dann kommen sie nach Hause und was machen sie? Sie hören sich wieder haargenau dasselbe an, daß sie ja den ganzen Tag über im Radio gehört haben. Ohne auch nur einen Hauch von Langeweile zu verspüren.“

© Markus Eck, 03.05.2001

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