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Interview: MIDWINTER
Titel: Düsternis nach Noten

Bassist Andreas, Todestrommler Patrick, Infernovokalist Mordan, Tastengeist AbraxasNoir sowie Saitenhexe Esther sind Midwinter. Im Dezember 1998 gegründet, nahmen diese Düsseldorfer Black Heavy Metal-Individualisten im September des darauf folgenden Jahres das erste Demo auf.

Die durchgehend sehr düster, aber auch erbaulich melodisch gehaltene Stilistik der Band sollte schon bald in einer sehr interessanten Mischung aus gleichermaßen involvierten Heavy-, Black- und Dark Metal-Elementen münden. Mächtig, mittelalterlich und finster inszeniert, jedoch überaus eigenständig und dabei abwechslungsreich und spannungsgeladen akzentuiert.

Im Februar 2000 erschien ihre Demo-CD „Loss Of Light“, welche im selben Monat des Jahres 2002 in einer Neuauflage von weiteren 300 Kopien nachgepresst wurde. Einige Monate später begannen Midwinter mit den Aufnahmen zu ihrem kommenden ersten Album „Astral Mirrors“.

Live trat diese empfehlenswerte Mitternachtskapelle schon mit Acts wie Nebular Moon, Cerberus, In Blackest Velvet, Grabnebelfürsten, Dark Age, Ninnghizhidda, Ancient Ceremony, Mysterium, Goat Of Mendes und Blood Red Angel auf.

„Um es einfach zu machen, sagen wir meistens, dass wir aus Düsseldorf kommen, obwohl das nur die halbe Wahrheit ist“, schmunzelt mir Bassist Andreas Funke zu.

„Gitarristin Esther, Keyboarder AbraxasNoir und ich wohnen zwar direkt in Düsseldorf, obwohl keiner von uns ursprünglich von hier stammt. Unser Sänger Mordan wohnt in Langenfeld und unser Drummer Patrick in Mönchengladbach, wo wir auch unseren Proberaum und unser Studio haben.“

Die größte Popularität genießen Midwinter wohl in der Metal-Stadt Neuss: „Allein schon, weil dort konzertmäßig am meisten im Underground hier in der Region passiert.“ Als sich die Band Ende 1998 zusammengefunden hatte, kannte man sich anfangs gegenseitig noch gar nicht so richtig: „Wir experimentierten also, und wussten nur, dass wir harte, düstere Musik spielen wollten. Unser Bandkonzept war zu Beginn noch sehr schwammig. Das hat sich mit der Zeit geändert. Wir würden heute zum Beispiel keinen Song mehr über Vampire schreiben. Spätestens seit vor zwei Jahren unser neuer Sänger Mordan dazu gestoßen ist, kann man sagen, dass sich Midwinter als eine echte, geschlossene Band präsentiert. Da wir seitdem auch häufiger live spielen, hat sich auch möglicherweise unser Songwriting etwas verändert, indem wir mehr darauf achten, wie ein Song live ankommt. Insgesamt sind wir auch einfach professioneller geworden, in allem was wir tun. Auf menschlicher Ebene sind wir aber dieselben Individuen geblieben.“

Und die derzeitige Stimmung in der Band ist geprägt von Höhen und Tiefen, wie dem Viersaiten-Spieler weiterhin zu entlocken war.

„Wir haben mittlerweile gelernt, daß auf jeden guten Tag ein schlechter folgt; und umgekehrt. Wir nehmen ja gerade unser zweites Album auf und haben einen Haufen Konzerte. Daran kann man das ganz gut demonstrieren. Die Aufnahmen machen uns an sich ziemlich viel Spaß, aber andererseits gibt es immer wieder Situationen, wo jemand krank wird oder die Technik komplett versagt, so daß sich wieder alles verzögert, und man kurz vorm Verzweifeln ist. Auch bei den Konzerten ist das ähnlich: Da hatten wir einen wirklich geilen Gig und kurz vorm Ende raucht der Verstärker ab. So was ist uns in letzter Zeit häufiger passiert. Aber wir lassen uns nicht entmutigen. Wir blicken zuversichtlich nach vorne, und glauben, daß Midwinter noch eine interessante Zukunft bevorsteht.“

Das wollen die Fans dieser Truppe doch auch hoffen. Wie der Midwinter-Tieftöner mir nachfolgend offenbarte, hat keiner in der Band außer der Musik feste Hobbys. Andreas hierzu:

„Esther spielt in ihrer Freizeit Gitarre, und ich habe außerhalb der Band keine Freizeit, weil ich mich noch um die Midwinter-Webseite, um Organisatorisches und um unser Studio etc. kümmere. Abraxas interessiert sich sehr für Filme & DVDs, Mordan für Literatur und Patrick macht Sport. Natürlich feiern und trinken wir gerne. Das fällt hier übrigens nicht schwer, da es in der Region jedes Wochenende irgendwo einen Underground-Gig oder eine Metal-Party gibt.“

Da der Stil von Midwinter mitunter doch sehr vom Black Metal geprägt ist, interessiert mich die Einstellung meines Gesprächspartners dazu. Wir erfahren:

„Zuerst mal muss ich sagen, daß Black Metal für mich nicht unbedingt wichtiger ist als jede andere Metal-Stilrichtung. Ich höre alle Metal-Stile, solange sie von guten Bands gespielt werden. Am Metal reizt mich vor allem die Vielfalt. Es gibt immer wieder neue, interessante Bands, die wiederum diverse Stile miteinander vermischen und ihre eigenen Ideen einbringen. Das ist wirklich spannend, man kann selbst von alteingesessenen Bands immer wieder überrascht werden. Dass sich dabei auch Vieles wiederholt, ist bei der Menge der Bands natürlich nicht zu vermeiden. Ansonsten reizt mich am Metal das weite emotionale Spektrum, ganz besonders die Energie und die Erhabenheit, die durch die Musik ausgedrückt wird. Es gibt aber auch Momente, wo ich mal ein bisschen ruhigere Musik brauche. Dann hab ich auch kein Problem damit, mir zum Beispiel was von Dire Straits oder New Model Army anzuhören. Mein Fokus liegt aber ganz klar auf Metal!“

So soll es sein, und Andreas knüpft in diesem Kontext an: „Ich muss zugeben, daß ich nicht so den Überblick über die gesamte momentane Black Metal-Szene habe. Ich kaufe mir eigentlich nur wenig aktuelle Alben. Ich hab zwar eine große CD-Sammlung, aber da ist außer ein paar Underground-Sachen kaum was jünger als fünf Jahre. Außerdem ist es gar nicht mehr so leicht, zu sagen, welche Bands noch wirklich Black Metal spielen und welche nicht mehr. Ich denke, Immortal haben seit einiger Zeit wirklich starke Alben rausgebracht. Gleiches kann man auch von Emperor behaupten – aber Du hast ja nach aktuellen Bands gefragt. Genial finde ich auch die Sachen von Martin Schirenc´s Hollenthon, auch wenn das kein Black Metal ist. Wenn Du eine gute Black Metal-Kapelle im Underground suchst, dann höre Dir mal Nebular Moon an.“

Die sind mir natürlich wohlbekannt, siehe mein damaliges Interview. Nicht nur mir sagen die Kompositionen von Midwinter zu: Laut Andreas gefallen ziemlich vielen Leuten die Songs seiner Band sehr. Diese Hörer schätzen und mögen vor allem die Vielfalt und die Atmosphäre der Musik von Midwinter:

„Wir haben schon von vielen Leuten gehört, dass sie sich unsere Debüt-CD `Loss Of Light` oft hintereinander anhören können, ohne dass es ihnen langweilig wird. Sie würden dabei sogar immer wieder neue Facetten entdecken, und das ist denke ich das beste Lob, welches man bekommen kann. Die negativen Stimmen, die definitiv in der Minderheit sind, sagen meist einfach nur, dass sie mit unserer Musik nichts anfangen können. Das wird dann meistens gar nicht erst argumentativ belegt. Wenn jemandem Midwinter's Musik subjektiv nicht gefällt: Wir können es nicht ändern. Wir wollen es auch gar nicht jedem recht machen. Ein paar Leute, auch von denjenigen, denen `Loss Of Light` gefallen hat, haben sich aber zu recht beschwert, dass die Gitarren im Vergleich zum Keyboard etwas zu leise sind. Das war aber definitiv ein Abmischungsproblem. Wir sind schon eine gitarrendominierte Band, was wir auf der nächsten CD beweisen werden.“

Im weiteren Gesprächsverlauf bat ich Andreas, sich selbst als Mensch, Person und Charakter zu beschreiben, was ihm nicht allzu leicht fiel:

„Das ist schon eine ziemlich gemeine Frage. Ich werde es versuchen: Ich bin wohl einer der Macher der Band. Ich hab tausend Ideen, sowohl was die Musik als auch das ganze Drumherum anbelangt. Außerdem habe ich die Motivation, meine Ideen auch wirklich umzusetzen, was gar nicht mal so selbstverständlich ist. Dadurch bin ich so ein bisschen zum Mädchen für alles geworden. Aber das ist auch gut so. Das gibt mir die Möglichkeit, meiner Kreativität freien Lauf zu lassen und Midwinter voranzubringen. An sich bin ich aber eher introvertiert, Fremden gegenüber meist skeptisch. Was persönliche Kontakte anbelangt, so lasse ich meinen Bandkollegen hier gerne den Vortritt.“

Midwinter, das ist laut Andreas die Zeit der Wintersonnenwende. Eine Zeit der Dunkelheit. Diese Dunkelheit und Traurigkeit ist auf jeden Fall ein wichtiges Thema in der Musik seiner Nachtkapelle. Aber das beschreibt das Bandkonzept noch nicht vollständig, wie in Erfahrung zu bringen war.

„Wie gesagt, es ist eine Zeit der Wende und des Aufbruchs, eine Zeit zwischen Bangen und Hoffnung. Und das beschreibt Midwinter schon besser. Obwohl wir dieses düstere Grundthema haben, sind wir doch offen für Vielfalt und Veränderung. Während unsere Demo-CD vom Verlust des Lichtes erzählt, und entsprechend sehr düster gehalten war, wird unser Album `Astral Mirrors` vielmehr diese Aufbruchstimmung beinhalten. Immer noch düster, aber mit ein paar Lichtblicken.“

Doch wollen Midwinter laut Andreas alle nur erdenklichen Emotionen in ihren Songs reflektieren: „Es gibt da diese wirklich finsteren, unheimlichen und traurigen Songs; dann haben wir auch ein paar richtig aggressive, harte Sachen gemacht. Außerdem gibt es nicht selten hymnische, erhebende Parts. In letzter Zeit kommen noch ein paar rockigere, fast schon fröhlichere Songs dazu. Ihr solltet mal einen Song wie `Dragonrock` hören! Das ist ein ziemlicher Partykracher, aber dabei immer noch typisch Midwinter. Wir versuchen, immer neue Felder zu erschließen, ohne den alten Sachen untreu zu werden. Wir haben sowieso keine Songs, die eine einfache `Strophe-Bridge-Refrain-Strophe-Bridge-Refrain-Solo-Bridge-Refrain-Refrain`-Struktur haben. Eigentlich hat jeder Song eine völlig andere Struktur, die genau zu seiner Atmosphäre passen muss. Auch die Arrangements der einzelnen Parts sind oft mehrstimmig, wobei wir das aber nicht übertreiben wollen.“

Songwriting an sich ist für Midwinter eigentlich immer wieder ein regelrechter Drahtseilakt zwischen dem Anspruch, den die Beteiligten dabei an sich selber stellen und der Nachvollziehbarkeit, die der Zuhörer erwartet, wie mir der erfreulich umgängliche Bassist zu Protokoll gibt.

„Einfache Songstrukturen langweilen uns. Die Ausarbeitung der Songstruktur gehört für mich genauso zum kreativen Akt wie das Schreiben der Noten. Wir geben uns damit schon möglichst viel Mühe. Gleichzeitig muss man dabei aber auch immer Kompromisse eingehen. Ein paar Songs haben wir zum Beispiel für Konzerte etwas komprimiert. Früher haben wir wirklich noch 13-minütige Songs live gespielt. Damals hatten wir aber auch noch nicht so viele Lieder“, scherzt der auskunftsfreudige Bassist unbekümmert, um gleich anschließend für mich noch näher auf das Songwriting seiner Schwermetall-Truppe einzugehen:

„Esther und ich schreiben circa 90 % der Musik. Die restlichen 10 % kann Abraxas für sich verbuchen. Patrick beteiligt sich noch an der Ausarbeitung des Schlagzeugs. Die meisten Songs entstehen zu Hause und werden dann im Proberaum ausgearbeitet. Wenige Songs haben wir auch spontan im Proberaum in Gemeinschaftsarbeit komponiert, meist auf einen bereits vorhandenen Songtext. Im Grunde entscheiden wir aber alles demokratisch. Wenn es mal Diskussionen über einzelne Parts oder Songstrukturen gibt, kann sich jeder einbringen. Überhaupt darf jeder bei uns Songs schreiben. Esther und ich waren bisher einfach nur am fleißigsten. Grundsätzlich kommen mir die Ideen für die Songs, wenn sie halt kommen: In den unterschiedlichsten Situationen. Das ist auch gut so und garantiert, dass man sich nicht ständig wiederholt. Ich arbeite meine Songs zu Hause am Computer als MIDI-Versionen aus. Das mache ich meistens mitten in der Nacht, weil ich mich in völliger Stille und bei gedämmtem Licht am besten konzentrieren kann. Ich bin dann absolut in das Songwriting versunken und habe meinen Bass, eine Gitarre, ein Keyboard sowie den Sequencer bei mir. In dieser konzentrierten Stimmung sprudeln die Ideen nur so aus mir heraus. Der jeweilige Song entsteht dann mehr oder weniger von alleine. Es überrascht mich oft selber, was hinterher schon alles dabei heraus gekommen ist.“

Mordan, Esther und Andreas verfassen die Lyrics für Midwinter zu gleichen Teilen, wie der Bass-Kerl verlauten lässt: „Manchmal haben Esther und ich zu unseren Songs schon ein inhaltliches Konzept, dass wir dann entweder selber ausarbeiten oder Mordan mit der Ausarbeitung beauftragen. Manchmal hat Mordan auch freie Hand, um einen Text zu schreiben. Ab und zu schreiben wir aber auch ein Lied auf seine Texte.“ Wie beim Songwriting braucht Andreas Ruhe und Konzentration für das Texten, wie er mir bekennt:

„Ich versuche mich beim Texten möglichst von Emotionen frei zu machen. Wenn ich emotional beladen bin, neigen meine Texte dazu, kitschig zu werden, weshalb sie dann am nächsten Tag direkt in den Papierkorb fliegen. Überhaupt, sobald ein Text fertig ist, lasse ich ihn erst einmal eine Zeit liegen. Wenn ich ihn nach ein paar Tagen noch mal durchlese, und er mir dann immer noch gefällt - kleinere Korrekturen lassen sich meist nicht vermeiden -, ist das schon mal ein gutes Zeichen.“

Da die Klänge von Midwinter eher düster gehalten sind, ist es laut diesbezüglichem Statement des Tieftöners auch ganz klar von der Band beabsichtigt, dass die Liedertexte solcherlei Stimmungen unterstreichen wollen:

„Meist sind die Lyrics kurze, atmosphärische Geschichten. Wir haben vor dem Schreiben der Songs keinen roten Faden abgesprochen. Aber viele Texte handeln von Träumen, traumhaften Reisen in seltsame Landschaften und außerweltlichen Erlebnissen und Visionen, vom Blick durch den astralen Spiegel.“ Das Bandlogo von Midwinter hat es mir angetan, und Andreas klärt für mich die Herkunft des Schriftzuges auf: „Die dafür verantwortliche Lady heißt Satyria und ist eine Bekannte von AbraxasNoir. Sie hat auch schon Logos für andere Bands entworfen; frage mich aber bitte jetzt keiner, für welche. Wir haben verschiedene Logo-Vorschläge von ihr bekommen, die allesamt sehr interessant waren. Von einem Schriftzug haben wir dann das M und das R und aus einem anderen Schriftzug die Kleinbuchstaben gewählt. Mit dem Ergebnis sind wir sehr zufrieden.“

Abschließend gewährte mir der auskunftsfreudige Bassist noch einen Einblick in die Zukunftspläne von Midwinter: „Vor allem wollen wir weiterhin gemeinsam gute Musik machen und allmählich wachsen. Für die nahe Zukunft hoffen wir natürlich, daß unser kommendes Album `Astral Mirrors` gut ankommt. Vielleicht suchen wir uns noch einen Vertrieb für die CD. Auf jeden Fall werden wir dann auch mal intensiver nach Plattenlabels Ausschau halten. Dann wären auch eine deutschlandweite Tour und ein paar Gigs im Ausland sicher noch etwas, dass in unserer Biographie fehlt. Es gibt noch vieles, was wir erreichen wollen. Markus, vielen Dank für das Interview! Falls sich der ein oder andere Leser für Midwinter interessieren sollte, schaut einfach auf www.midwinter-online.de vorbei. Metal hails, Andreas.“

© Markus Eck, 14.10.2003

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