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Interview: NACHTBLUT
Titel: Bissige Provokation

Bereits mit ihrem ersten Album „Antik“ konnten diese umfassend fähigen Melodic Dark Metal-Könner eine Vielzahl von geneigten Ohren beglücken.

Jetzt klopfen die aus dem Osnabrücker Raum stammenden talentierten Musiker mit ihrem neuen Langspiel-Exkurs „Dogma“ wieder hart an die Pforte des menschlichen Verstandes.

Ganz so, wie es schon auf „Antik“ der hörenswerte Fall ist, so offenbaren auch die neuen Stücke der Band bei genauerem Hinhören und Verstehen erneut diverse gesellschaftliche Missstände. Und die ganz spezielle fiese Mixtur von Nachtblut, primär bestehend aus hymnisch vertonten Hass-Tiraden und düster-schwärmerischer Schwarzromantik, kommt auf der neuen Veröffentlichung gar noch schlüssiger und homogener zum Tragen.

„Wir haben uns sehr darüber gefreut, das erste Album unseren Fans zugänglich gemacht zu haben, mit dem Resultat waren wir allesamt zufrieden. Und die Sache nahm nach unseren Vorstellungen ihren Lauf: Wir gewannen neue Hörer dazu, gaben Konzerte und sammelten neue Erfahrungen, welche dem neuen Album ,Dogma‘ zugute kamen“, verkündet Sänger, Songwritinger und Keyboarder Askeroth.

Und, wie dieser ausgesprochene Provokateur dem anfügt, ist das größte und wichtigste künstlerische Anliegen von Nachtblut nach wie vor, außenstehende Menschen zu verstören.

„Bei jeder Sache die wir machen, hat es oberste Priorität, dass sie jemandem ein Dorn im Auge ist. Seit Jahren bauen wir auf diesem Konzept mit Erfolg auf. Erst vor einigen Tagen sagte ein Fan zu mir: ,Je mehr euch die Leute hassen, desto besser finde ich das was ihr macht.‘ Umso besser, sage ich mir. Es ist eine Sache, wenn man etwas macht, um sich selbst zufrieden zu stellen. Aber zu wissen, dass man damit auch andere Menschen zufrieden stellt, motiviert mich in meiner Sache ungemein.“

So besteht der schöpferische Tiefgang bei Nachtblut laut nachfolgender Aussage des Nachblut-Kopfes eben gerade nicht darin, dass die Lyrik möglichst komplexe Gestalt annimmt und mit abstrakten Metaphern gearbeitet wird.

„Das wäre nämlich das, was die Allgemeinheit unter ,künstlerischen Tiefgang‘ verstehen würde, ein in meinen Augen veraltetes Instrument. Nehmen wir den neuen Song ,Ich trinke Blut‘, da ich denke, dass es ein gutes Beispiel für die Art von ,Tiefgang‘ ist, wie es bei Nachtblut vonstatten geht: Der Song handelt von einem Vampir und der Refrain lautet ,Ich trinke Blut, weil es mir schmeckt‘. Im Grunde genommen wirkt alles völlig plakativ und Klischees bedienend. Aber mein Gedanke war es, mit einem Song gleich drei Parteien anzugreifen. Erstens soll man das erwähnte Blut als Fleisch interpretieren. Zweitens soll man versuchen, sich mit dem Vampir zu identifizieren, denn was wissen wir über das Fleisch, welches wir essen und haben wir überhaupt noch Respekt vor dem Leben? Drittens soll man für sich beantworten, ob man im Namen der Natur handelt. Essen Menschen von Natur aus Fleisch? Und schlussendlich sollte jeder einmal gründlich überdenken, ob man bei seiner Weise zu Leben wirklich alles beachtet hat. Denn meiner Meinung nach sollte man etwas entweder richtig machen oder gar nicht, alles andere ist nur Schaumschlägerei. Und ob das nun Tiefgang ist oder nicht, kann auch jedem selbst überlassen sein.“

In Deutschland lief es bislang erfreulich gut für die Formation.

Wie aber haben die ausländischen Musikmedien die letzte Album-Veröffentlichung von Nachtblut aufgenommen beziehungsweise wie erfolgreich schnitt diese Scheibe in deren Kritiken ab? Askeroth hierzu:

„Ich habe ein paar Kritiken in Augenschein nehmen können, jene waren durchaus positiv. Und überhaupt, wir bekommen oft Mails von Fans aus dem Ausland. Es gibt sogar einen Nachtblut-Fanclub in den USA, welcher schon seit Jahren darauf wartet, dass wir dort mal auftreten.“

Wir beide sprechen anschließend darüber, was es neben dem aktuellen Label-Werbetext Wichtiges von Nachtblut zu berichten gibt, was alte und neue Fans interessiert.

„Nun, beim Werbetext von Napalm Records wird lediglich auf die Musik eingegangen, nicht auf die Texte. Ich denke, da wäre es interessant zu erwähnen, dass dieses neue Album lyrisch gesehen auf einem Konzept aufgebaut ist. Es ist ein Konzept, welches man sich so vorstellen darf, dass sich viele Sprichwörter und Zitate beziehungsweise neue Interpretationen oder Umformulierungen von großen Persönlichkeiten oder von einfach nur bekannten Personen durch das ganze Album hindurchziehen. Was ich mir für den einen oder anderen Zeitgenossen sehr aufregend vorstelle. Und es werden sehr viele Personen zitiert. Da wären unter anderem: Sokrates, Platon, Benjamin Franklin, Abraham Lincoln, Stephen Hawking, Max Frisch, Edmund Kemper, Charles Manson, David Berkowitz, Friedrich Nietzsche und Jesus. Diese Personen fallen mir jedenfalls spontan ein, ansonsten hält noch die Bibel her und als Filme würde ich ,Das Parfum‘ und ,American Psycho‘ nennen. Es werden aber auch die unterschiedlichsten Themen aufgegriffen oder Fantasien auf ,Dogma‘ verarbeitet.“

Darf man eine so eigenständig vorgehende Gruppe dazu überhaupt nach musikalischen Einflüssen fragen? Askeroth möchte es gerne mal so ausdrücken: „Wem das hohe Kreischen von Cradle Of Filth auf den Sack geht und wer Rammstein nicht hart genug findet, der ist bei uns genau an der richtigen Adresse.“

Und es hat im Schaffen des Quintetts für das neue Werk keine Stiländerung stattgefunden, so der Düsterdenker auf die entsprechende Frage des Autoren. „Auf ,Antik‘ gibt es Songs mit Elektro-Einflüssen, Balladen, Blastbeats und diese gibt es auch auf ,Dogma‘. Wer ,Antik‘ geil fand, der wird ,Dogma‘ auch geil finden! Was man auch noch dazu sagen kann, ist, dass wir dieses Mal wesentlich mehr Wert auf die Gitarren gelegt haben. Da passiert nun sehr viel mehr, es gibt kaum noch PowerChords, sondern schön fiese und kompromisslose Riffs. Und in Sachen Gesangstechnik wird diesmal alles abgedeckt. Ich habe mich da nicht auf einen Stil festgelegt, denn ich wollte es nicht eintönig werden lassen. Schlagzeug und Bass sind ebenfalls sexy. Wenn man so will, könnte man von einer Entwicklung sprechen.“

So nahm der Zeitraum für den gesamten Kompositionsprozess zum neuen Album theoretisch fünf Jahre ein, wie zu erfahren ist, da die beiden Songs „Eiskönigin“ und „Mein Herz in Ihren Händen“ bereits im Jahr 2007 komponiert wurden.

Es existiert jedoch kein definitiver Zeitpunkt, so Askeroth ergänzend, an dem gesagt wurde, „Jetzt beginnen die Arbeiten für ein zweites Album.“

Der nachfolgende Dialog behandelt schließlich etwaige Höhen und Tiefen des Kompositionsprozesses zum neuen Album „Dogma“. Und der Sänger, Songwritinger und Keyboarder legt dar:

„Also, als ,Höhe‘ würde ich beim Komponieren etwas bezeichnen, wenn es genau das wird, was es werden sollte, während es bei einem ,Tief‘ nicht der Fall ist. Ich erinnere mich sehr gut daran, dass es in der Hinsicht viele Höhen gab. Sonst wäre ich wohl mit dem Album insgesamt unzufrieden. Ein persönlicher Höhepunkt ist für mich das Stück ,Mordlust‘, welches meine Erwartungen zu hundert Prozent erfüllt. Als Tief kommt dann wohl ,Die Schritte‘ in Frage, denn dieser Song musste circa fünf Mal komplett neu komponiert werden, damit wir nun letztendlich zufrieden damit geworden sind.“

Denkt er an die neue Nachtblut-Liedersammlung, so empfindet Askeroth ein Gemisch aus Stolz und Vorfreude, wie er noch offenbart. „Stolz: Weil das Album eben eines dieser Dinge ist, die ich sehen, anfassen und hören kann, an denen ich beteiligt war und bin. Ich denke dann oft: ,Das gibt es so nur, weil es mich gibt‘. Und weil mir die neuen Nachtblut-Lieder durchweg einfach Spaß machen. Vorfreude: Weil ich es wirklich kaum erwarten kann, diese Songs live unserem Publikum zu präsentieren.“

© Markus Eck, 20.05.2012

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