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Interview: PAIMON
Titel: Hungriger Idealismus

Paimon sind eine sehr talentierte Dark Metal-Horde aus dem Frankfurter Raum. Die Band veröffentlichte vor nicht allzu langer Zeit ihr musikalisch außerordentlich wertvolles Debüt „Terra Oblivionis“, auf dem sich eine erdrückende Vielzahl von superben Riffgewittern entlädt, denen eine Menge tolle und sogar stellenweise hitverdächtige Melodien gleichberechtigt zur Seite stehen.

Bei einigen Stücken auf diesem Album überschlägt man sich förmlich vor Begeisterung und kann einfach nicht mehr stillsitzen. Verantwortlich dafür sind nicht zuletzt ein erlesen räudiger Gesang von lupenreinem und authentischem Haß und schier nicht zu bändigende Spielfreude der gesamten Mannschaft. 

Die musikalisch vermittelten Emotionen auf „Terra Oblivionis“ sind zu jeder Sekunde 100%ig nachfühlbar. Und dies auch in den Gegensätzen der Extreme: Manches Mal kämpft das Gute in Form von betörend-melodischen Keyboard-Sequenzen gegen das Böse, welches mittels donnernden Gitarrenläufen nebst geifernd haßerfülltem Gesang zelebriert wird, in gleichberechtigter Stärke. Solcherlei kann man wohl kaum krasser darstellen. Man kann sich gar nicht mehr satt hören an dieser wirklich gelungenen Scheibe. Die Band beantwortete mir meine Fragen in Gemeinschaft. 

„Momentan ist die Lage im Bandcamp sehr `intensiv`. Die vergangenen drei Wochen trafen wir uns bis zu vier mal die Woche zum Proben, da wir uns auf  zwei Gigs vorbereiteten und auch kräftig am Songschreiben sind. Das Line-Up ist nun seit April 2000 komplett. Damals fand die letzte Veränderung im Line-Up statt als unsere Keyboarderin entschied die Band aus persönlichen Gründen zu verlassen. Daraufhin entschieden wir uns zukünftig ohne festen Keyboarder zu arbeiten. Bassist Daniel D. und Drummer Daniel A. kamen 1999 und 2000 in die Band, nachdem die Bassistin die Band verließ, und der alte Drummer aufgrund persönlicher Differenzen gefeuert wurde. Somit sind also aktuell noch drei Gründungsmitglieder bei uns dabei: Voland, Andre und Norbert.“ 

Hoffentlich kann die Band in dieser Besetzung nun kreativ ergiebig weitermachen. Es folgt schwermetallische Nachhilfe in Geographie:  

„Wir kommen aus dem schönen Frankfurt am Main. Hier geht zwar Metal-technisch nicht soviel ab, aber die Offenbacher Hafenbahn liegt gleich nebenan. Eine der bekannteren Bands aus Frankfurt ist sicherlich Tankard, aber die sind ja schon eine feste Größe. Was Nachwuchs-Bands angeht, ist hier meines Erachtens auch nicht viel los. Die Bands, die wir ab und zu so beim Ausgehen treffen, sind Bluttaufe aus dem Taunus und die Mainzer Agathodaimon. Aber Frankfurter Bands fallen mir keine ein.“  

Gegründet wurden Paimon im November 1997 von Voland, Andre und Norbert. Der ursprüngliche Gedanke von Paimon war, ein böses widerliches Black Metal-Monster zu erschaffen. Nach den ersten Proben wurde allerdings schnell klar, daß es innerhalb der Band zu viele Einflüsse gibt, so daß es eigentlich unmöglich sein würde, mit Paimon reinen und unverfälschten Black Metal zu spielen. Also schmiß man alle musikalischen Vorlieben der einzelnen Mitglieder in einen Topf, und heraus kam der ureigene Paimon-Mix, zu hören auf dem feinen neuen Album der Jungs.

Musikalisch hat sich bei Paimon in der letzten Zeit so einiges getan. „Während in den Anfangstagen die Songs sehr wirr strukturiert waren, sind sie mittlerweile geordneter. Früher nahmen wir jeden guten Part den wir komponierten und fügten ihn in den Song ein. So kam es vor, daß der Song plötzlich neun Minuten lang war, und kein einziger Part zweimal darin vorkam. So etwas wie Strophen oder Refrains gab es oftmals auch nicht bei uns. Der Vorteil daran war natürlich, daß jeder Song eine enorme Abwechslung aufweisen konnte. Mittlerweile legen wir immer noch großen Wert auf Abwechslung in den Stücken, allerdings achten wir auch auf eine gewisse Struktur bezüglich wiederkehrender Parts etc.“   

Das Menschliche in der Band soll hier nicht unerwähnt bleiben: „Paimon bestand schon immer aus Freunden. Die Gründungsmitglieder kannten sich auch schon bevor sie Paimon aus der Taufe hoben. Die neuen Mitglieder Daniel A. und Daniel D. kannten die Band auch schon länger, bevor sie dazu stießen. Die beiden Daniels spielten ebenfalls vorher schon in anderen Bands zusammen, so daß alle miteinander bekannt und auch befreundet waren beziehungsweise es noch sind. Wenn du also im Frankfurter Nachtleben unterwegs bist und ein Paimon-Mitglied triffst, so ist es fast schon unmöglich, daß nicht mindestens noch ein Zweiter von uns mit dabei ist. Wir hängen also eigentlich immer miteinander rum, egal worum es geht. Und auch zu fünft trifft man uns ständig zusammen in den selben Läden an.“  

Der Albumtitel des Debüts regt zu vielerlei Spekulationen an. So ist zu erfahren: „`Terra Oblivionis` heißt übersetzt `Land des Vergessens`. So heißt laut dem Mythos eine Ebene der Hölle. Ein Land ohne Hoffnung, jemals wieder gerettet zu sein, denn alles geht da für immer verloren. Ein Land der ewigen Ruhe. Aber wollte nicht fast jeder von uns schon mal alle Probleme und Sorgen vergessen, alleine bleiben und nie wieder von anderen genervt oder gestört werden, glücklich in seiner Einsamkeit? Es gibt Menschen, die glauben, daß es für jeden eine eigene Hölle geben wird, wo er das bekommt, was er verdient. Wenn meine Hölle `Terra Oblivionis` wäre, würde ich mich auf sie wahrscheinlich mehr freuen, als auf jedes Paradies.“   

Was hat Paimon wohl bewogen, diesen mystischen Bandnamen zu wählen, fragt sich der Autor. Jedenfalls stehen die Beteiligten auch heute noch zu dem Namen, wie von ihnen dazu zu erfahren ist.  

„Den Namen hat unser Andrè vorgeschlagen. Es klang mystisch und schön, war nicht übertrieben lang und auch nicht so ausgeleiert wie beispielsweise Crashing Skulls, Painful oder so was in der Art. Paimon ist ein Dämon, der zu vielen Taten fähig ist. Er kann Tote wiederauferstehen lassen, er kann Sprachen und Wissenschaften beibringen, und er kann auch gnadenlos brutal sein. Sehr vielfältig also. Ich glaube, daß es sich auch immer wieder in unserer Musik widerspiegelt.“   

Lyrisch hat diese interessante Formation einiges auf der Tasche, und das kommt natürlich auch nicht einfach so von ungefähr:  

„Die ganzen Texte sind Fantasien, Überlegungen und Versuche zu philosophieren. Die sind nicht dafür vorgesehen, die Menschen auf irgendeine Art und Weise zu beeinflussen. Die Themen sind verschieden: Da sind Träume, Tod, Religion, Selbstmord. Wir versuchen, diese eigentlich schon fast klischeehaften Themen durch das Prisma eigenen Gedanken zu verarbeiten und vertreten eigentlich keine Standardmeinung. Wenn jemand unsere Meinungen und Ansichten teilt, freuen wir uns natürlich darüber. Wer das aber nicht tut, soll einfach bei seiner Meinung bleiben. Jeder Mensch soll seinen eigenen Glauben haben, denn die Vielfalt ist das, was unsere Existenz auf diesem Planeten interessant und bedeutungsvoll macht.“   

Das Songwriting teilt sich jede Band anders. Bei Paimon verläuft es wie folgt: „Der Songschreiber-Prozeß sieht bei uns folgendermaßen aus: Meistens kommt Andre mit einen Part, oder mehreren in den Proberaum, wo wir uns das neu Entstandene alle zusammen anhören. Manchmal hat er auch bereits einige Parts zuhause am PC aufgenommen. Dann werden diese Parts zusammen gejammt und jeder bringt die Ideen ein, die ihm dazu einfallen. Es passiert also vieles ziemlich spontan aus dem Bauch heraus. Solche Kleinigkeiten wie Breaks oder kleine Gitarrenläufe werden dann erst ausgefeilt, wenn der Song als Ganzes schon fast steht. Aber die Grundriffs und Melodien stammen in den meisten Fällen aus Andre‘s Feder. Die Texte stammen ausschließlich von Voland, die er teilweise auch in Russisch singt, seiner Muttersprache.“  

Wir kommen wieder mal zum - bei Metalmessage wohl fast schon traditionellen - Vergleich der Metal-Szene im Laufe der Zeit: „Ich denke, daß vor zehn bis 15 Jahren die Szene jedenfalls größer war. Wenn man bedenkt, daß Tankard beispielsweise Mitte der 1980er bis zu 30.000 Alben absetzen konnten. Im Vergleich zu den heutigen Verkaufszahlen ist das riesig. Auch die Konzerte von Newcomer-Bands waren damals viel besser besucht als heute. Anfang der 1990er gab es in Frankfurt beispielsweise mehrere Clubs in Frankfurt, in denen Metal lief, und auch viel mehr Underground-Konzerte als heute. Heute ist es schwierig als Newcomer-Gruppe ein Konzert vor vielen Leuten zu spielen, weil die lokale Szene einfach zu klein ist; in Frankfurt am Main jedenfalls. Was die moderne Kommunikation angeht, ist es natürlich heute besser. Mit Hilfe des Internet lassen sich viel leichter Kontakte knüpfen. Aber ich glaube, die Größe der 80er Jahre lässt sich auch dadurch nicht mehr zu schaffen. Das gierige Biz: Es ist schon ein bißchen schade zu sehen, daß es im Endeffekt darauf ankommt, wie viel Werbung das Label schaltet, und wie stark man als Band gepusht wird. Es ist halt schwer sich durchzusetzen, da es trotz der kleinen Szene sehr viele Bands gibt. Aber persönliche schlechte Erfahrungen haben wir noch nicht gemacht. Wir haben mit MOS Records ein gutes Label gefunden, das absolut an uns glaubt, uns unterstützt und dazu auch alle künstlerischen Freiheiten läßt. Zu MOS pflegen wir auch einen guten persönlichen Kontakt, das heißt, wir kennen uns alle persönlich und einige von uns waren auch schon auf Label-Besuch in Liechtenstein.“   

Noch ein Ländervergleich: „Über die Metal-Szene in fremden Ländern kann ich nichts berichten, weil wir noch nicht im Ausland gespielt haben, und auch sonst noch keine Kontakte zu anderen Metal-Szenen hatten. Allerdings gibt es innerhalb Deutschland gravierende Unterschiede, was die Metal-Szenen betrifft. Die besten Erfahrungen haben wir bisher im Osten Deutschlands gemacht. Jena rockt wie die Sau! Dort sind die Fans irgendwie noch euphorischer und machen mehr Stimmung. In Frankfurt beschränkt sich die Stimmung im Publikum oftmals auf verschränkte Arme und böse Blicke. Allerdings wird im Osten nicht geklatscht, was für uns anfänglich schon komisch war.“

Auf der Bühne geht die Post jedenfalls so richtig ab bei Paimon: „Die letzten Gigs waren vergangenes Wochenende. Am Freitag den 14.09.2000 spielten wir auf einer Benefizveranstaltung, deren Einnahmen den Helfern und den Opfern in den USA zugute kommt. Am Samstag den 15.09.2000 spielten wir in einem Jugendzentrum im Taunus, wo eine befreundete Band ihre CD-Release Party feierte und uns als Headliner anheuerte. Die nächsten Konzerte sind bereits gebucht: 06.10.2001 in Mainz im Haus der Jugend und am 27.10.2001 in Bad Camberg in der dortigen Erlenbachhalle. Seit den letzten beiden Konzerten haben wir ein einheitliches Bühnen-Outfit, welches fortan bei jedem Gig zum Vorschein kommen wird. Darüber möchte ich an diese Stelle nicht zuviel verraten. Außerdem gilt bei uns auf der Bühne: Action! Sinnloses Rumstehen gibt es bei Paimon nicht. Jeder gibt alles und bangt, daß die Schwarte kracht. Seit letzter Woche haben wir auch endlich ein großes Paimon-Banner für den Platz hinter dem Drumkit.“   

Die Zukunft der sympathischen Band steht schon fest, und es gibt kein Zurück: „Momentan sind wir fleißig am Komponieren. Die neueren Songs sind klarer strukturiert. Es gibt häufig Refrains und auch Clean-vocals werden wieder eingesetzt. Auch ruhigere, fast schon balladenartige Klänge werden zu hören sein. Es wird definitiv wieder der Paimon-Stil sein, wobei eine beachtliche Weiterentwicklung nicht zu verleugnen ist. Was daran liegt, daß alle Songs im aktuellen Line-Up entstanden sind. Also jedes Bandmitglied zu jedem einzelnen Song sein eigenes Schaffen investiert hat. Es kann sich also jeder Einzelne von uns mit jedem Song identifizieren.“   

Letzte Worte an die Fans ließ sich die grundehrliche und aufrichtige Truppe nicht nehmen und festigt den bereits gewonnen sehr positiven Eindruck noch einmal zusätzlich: „Laßt euch nicht von irgendwelchen Klugscheißern vollschwatzen, die euch versuchen zu erklären, was zu tun ist! Ganz egal, ob es der Papst, ob es Sokrates oder ob es Crowley ist. Ihr habt ja einen eigenen Kopf, der nicht nur dafür da ist, um mächtig viel Futter in sich hinein zu fressen. Und hört euch mal ins neue Paimon-Album rein und haltet die Augen offen nach unseren Live-Dates, damit wir jedem Einzelnen von euch mal unser Zeug laut um die Ohren blasen können!“  

© Markus Eck, 20.09.2001

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