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Interview: SLAYER
Titel: Zeitlose Regenten

Die kalifornischen Thrash-Metal-Götter Slayer können unbestreitbar auf eine einmalig-grandiose und für dieses von den Medien nicht immer so mütterlich behandelte Metier wohl spektakuläre fast 20-jährige Karriere zurückblicken.

Keiner anderen Metalband - außer vielleicht noch den San-Franzisko-Giganten Metallica bis Mitte der 1990er - ist es bisher in dieser Art und Weise gelungen, weltweite Fanscharen derart zu begeistern; ja, regelrecht zu elektrifizieren. Man kennt „sie“ wirklich in jedem Teil des Erdballs.

1982 gegründet, hatten die beiden Gitarristen Kerry King und Jeff Hannemann sowie der den Bass übernehmende Sänger Tom Araya als auch Schlagzeuger Dave Lombardo anfänglich das programmatische Ziel, die „härteste, schnellste und extremste Band der Welt“ zu werden.

Das 1983er Album „Show No Mercy“ schlug damals in der - noch relativ jungen Metalszene - ein wie eine 1.000-Kilo Fliegerbombe in den Vatikan und wurde von dem für seine bedingungslose Kompromißlosigkeit schon bald darauf berüchtigten Quartett mit einigen Konzerten flankiert.

Auf letzteren traten die konzeptionell damalig noch satanische Lehren verherrlichenden Totschläger (Slayer) anfänglich sogar noch geschminkt auf; weit bevor solcherlei Maskerade und unheilige Attitüde zu späterer Zeit und von unzähligen Formationen noch global adaptiert werden sollte.

All die nachfolgenden Jahre gingen Slayer ihren ureigenen Weg, was sich wirklich umfangreich auszahlen sollte.

Das neue Opus mit dem nachdenklich stimmenden Titel „God Hates Us All“ ist das erste richtig hörbare Lebenszeichen dieser zur Ikone gewordenen Band seit vielen Jahren.

Darauf wüten Slayer stellenweise auf bisher unerschlossenem Terrain und sind doch erstmals seit ihrem Jahrtausend-Album und Megaseller, dem 1986er Monument „Reign In Blood“ wieder mehr sie selbst als seit sehr langer Zeit.

Die zuletzt veröffentlichten Releases, das 1995er Album „Undisputed Attitude“, auf dem unsägliche Punk- und Hardcore-Coverversionen vertont wurden, aber auch die ´98er Platte „Diabolos In Musica“ waren entgegen den gewohnten qualitativen Verhältnissen doch eher etwas experimentell ausgefallen.

„God Hates Us All“ ist also seit langem mal wieder ein richtiger Kracher, welcher sich stilistisch zwischen zwischen den Alben „Hell Awaits“ und „South Of Heaven“ einpendelt.

In einer von Münchens ersten Adressen, dem Nobelhotel Bayerischer Hof fand sich die gesamte Band ein, um sich dem Ansturm an Fragen hinsichtlich des neuen Albums zu stellen.

Kerry King und Jeff Hannemann ließen sich in einem Nebenzimmer recht rüpelhaft auf das prunkvolle Sofa fallen; die Band hatte gerade eine morgendliche Photosession hinter sich.

„Weil es eben einfach cool klingt“, beantwortet der auch an diesem Tage mit schwarzer und typischer Sonnenbrille versehene Kerry mit aller denkbaren Coolness ziemlich lapidar die Frage nach dem Sinn des Titels der neuen Scheibe.

„Es ist eine Textzeile aus unserem ersten Song auf der CD und wir wählten es als Albumtitel, weil wir zu diesem Zeitpunkt keine anderen Lyrics ausgearbeitet hatten.“

Mit der anschließenden Frage, ob diese durchaus die Weltsituation reflektierende und passende Namensgebung auch für ihn solches bedeutet, sollte ich mich gründlich vertan haben.

„Verdammt, wie ich diese ewige, für Deutschland schon bald echt typische Fragerei nach einem etwaig verborgenen Sinn hinter all unseren Texten doch immer wieder hasse,“ entfährt es dem schwer tätowierten Gitarristen lauthals lachend mit einem lauten „Fuck!“.

„Es ist einfach ein cooler Titel, es steckt ein cooler Song dahinter, und es existiert kein verstecktes Geheimnis dahinter. Es ist ein typischer Slayer-Albumtitel und es ist auch ein typischer Slayer-Song. Mehr nicht! Jedesmal wenn wir nach Deutschland kommen, fragen uns alle möglichen Journalisten nach einer tieferen Bedeutung hinter unseren Songtexten und -Titeln, welche niemals existiert hat, weder noch jemals existieren wird.“ Na, das war ja deutlich ...

Deutlich merkt man ihm - sowie gleichfalls dem während des Gespräches andauernd provokant laut rülpsenden Hannemann - auch die über die Jahre entstandene ausgeprägte Überheblichkeit, gerade gegenüber einheimischen Journalisten an. Darüber war ich doch sehr enttäuscht.

Na, so habe ich ihn wenigstens schon gleich aus der Reserve gelockt. Kerry beschreibt weiterhin die aktuelle musikalische Direktive:

„Nun, jedermann sieht die Sache gewiß aus einem anderen Blickwinkel heraus. Ich denke jedoch nicht, daß das neue Album einen Crossover zwischen älteren und neueren Kompositionen darstellt. Es ist schlicht und einfach Slayer 2001.“

In diesem Moment schaltet sich erstmalig der bis dahin eher ruhig erscheinende Jeff ein:

„Der größte Unterschied zu den bisherigen Sachen von uns besteht für mich lediglich darin, daß Tom seinen Gesang noch mal intensiviert hat. Er schreit sich fast durchgehend die Seele aus dem Leib.“

Interessant zu erfahren, ob „Undisputed Attitude“ und „Diabolos In Musica“ ähnlich erfolgreich waren wie die vorangegangenen überzeugenderen Alben ... Kerry bleibt lässig:

„Keine Ahnung, wir haben uns nie darum gekümmert oder uns dafür interessiert. Wir sind ja ständig auf irgendwelchen Touren unterwegs gewesen und das Letzte, was uns interessiert hätte, wären Verkaufszahlen unserer Platten gewesen.“

Auf die genannte irgendwie unentschlossen wirkende Stilistik der zuletzt genannten Veröffentlichungen und daraus resultierende etwaige vergraulte Anhänger reagiert er entschieden:

„Eigentlich machen wir immer dieselbe Musik. Slayer-Scheiben sind wie Slayer-Fans, es sind einfach immer dieselben. Und es sind ganz schön viele, die ihren Geschmack über die Jahre auch nicht geändert haben. Letztes Jahr fungierten wir als unumstrittener Headliner mehrerer deutscher Festivals. So glaube ich ehrlich gesagt nun wirklich nicht, daß Slayer bei euch an Boden verloren hätten. Mehr gibt es hierüber wohl nicht mehr zu sagen.“

Die beiden herablassenden Saitenartisten warten schon auf das angekündigte McDonald's-Futter, denn mit Köstlichkeiten aus der Hotelküche kann man die beiden bekanntermaßen nicht locken.

Das hat sich also über die Jahre auch kein bißchen geändert.

Nach dem bisherigen zweiwöchigen Interview-Marathon scheinen Burger und Pommes auch gegenwärtig immer noch ein Highlight für die Jungs darzustellen.

Auf das Frontcover von „God Hates Us All“ angesprochen, läßt der kahlgeschorene Kerry wissen:

„Wir hatten ein wirklich cooles Artwork, welches aber leider in der ursprünglichen Form von Sony abgelehnt wurde.“ Jeff hierzu:

„Was zur Hölle sollte das denn eigentlich? Es war doch ein wirklich gutes und auch cooles Bild. Wir hätten es der Company noch nicht so früh zeigen sollen“, lacht der blonde Axeman. „Wir wissen es momentan selbst noch nicht so genau, was unsere Plattenfirma sich dann daraufhin hat einfallen lassen“, fügt Kerry anbei.

Dann ist es an der Zeit, auch mal auf die neuen Songs an sich explizit zu sprechen zu kommen. Jeff kommentiert den von ihm geschriebenen Opener „God Send Death“ als „Story über einen Prediger, der eine heimliche Beziehung zu einem minderjährigen Mädchen hat und diese tötet, als sie darüber ihre Freunde und Eltern unterrichten will. Nach einiger Zeit wird er wahnsinnig, als er realisiert, daß er jemanden seines Lebens beraubt hat.“

„Seven Faces“ ist laut Kerry „ein Song über die sieben Todsünden, die jeder von uns mehr oder auch weniger in sich trägt. So zeigen wir doch alle manchmal unsere sieben verschiedenen Gesichter.“

Er fährt gleich fort: „`Cast Down` ist eine Geschichte über den alltäglichen Wahnsinn im urbanen Kleinkrieg der zivilisierten Menschen, welche sich tagtäglich mit niedriger Hemmschwelle über den Haufen schießen. Doch die Leute sehen einfach weg und niemand will damit etwas zu tun haben, weil sie mit ihrem ganzen eigenen Scheiß zu sehr beschäftigt sind!“

„New Faith“ basiert laut Kerry „auf den Offenbarungen in der Bibel, daß eines Tages das jüngste Gericht die Menschen richten wird. Alles erfüllt sich demnach genau so, wie es seit 2000 Jahren zu lesen ist. Die Erde kollabiert und die Gesellschaft erlebt ihren größten Alptraum.“

Er erläutert gleich anschließend noch „Here Comes The Pain“:

„Diesen Track haben wir bereits um ´99 herum für die WCW-Wrestling Federation in Amerika geschrieben und wie der Titel schon nahe legt, geht es um den manchmal unmenschlichen Schmerz der Kämpfer in solchen knochenharten Battles“.

Und „Treshold“ dreht sich „um das Erreichen des menschlichen Limits. Nach einer solchen Erkenntnis ist es für viele sehr schwer, ein neues Leben mit geänderten Zielen zu beginnen.“

Jeff hält sich etwas zurück und überläßt Kerry abermalig das Wort:

„Den Song `Bloodline` schrieben wir für den Soundtrack zum neuesten Dracula-Film. Allerdings wissen wir bis dato noch nicht, ob der Soundtrack schon erhältlich ist. Der Film soll ja aber nicht gerade sehr toll geworden sein, wie ich mir sagen ließ.“

Hat die Filmgesellschaft wirklich einen knüppelharten Slayer-Song für diesen Streifen verwendet?

Hier hakt nun endlich wieder mal der eher wortkarge Jeff ein:

„Natürlich haben die ihn verwendet! Und natürlich ist es ein typischer Slayer-Track!“

Kerry amüsiert sich lachend über seine eigene Unkenntnis bezüglich dieser Angelegenheit und kommentiert auch unmittelbar anschließend noch das Stück „Disciple“:

„`Disciple` handelt davon, daß wir als `Gottes Kinder` geboren werden, aufwachsen, religiös erzogen werden und währenddessen immer wieder lernen, daß alles von der Gesellschaft favorisierte auch in unserem Leben anzustreben ist. Aber niemand erzählt uns, wie abgefuckt diese ganze kranke Gesellschaft doch letzten Endes ist. So sind viele immer wieder voller Unwissenheit Gottes Kinder und Jünger, ohne danach gefragt zu werden, ob sie dies überhaupt wirklich sein wollen.“

Und dem letzten Song auf dem für Ende Juli zur Veröffentlichung vorgesehenen Album, „Addict“, liegt „die Story über einen psychotischen Serienkiller und das unbeschreiblich kranke und befreiende Gefühl zugrunde, daß er durch das Töten seiner zahlreichen Opfer erlangt.“

© Markus Eck, 15.05.2001

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