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Interview: THE OLD DEAD TREE
Titel: Über sämtliche Grenzen hinweg

Ihr neuer und zweiter Langspieler „The Perpetual Motion“ deckt schon eine weitläufige Bandbreite an mutigen stilistischen Fusionen ab.

Diese freudlosen Franzosen gründeten ihre Band The Old Dead Tree 1997, und schon auf dem Debütalbum „The Nameless Disease“ verblüffte diese hochkreative French-Connection Fans als auch Kritiker gleichermaßen mit höchst variablem Dark Emo Rock der stellenweise derben Sorte. Packende Musik also, die sich getrost das Prädikat ,einzigartig‘ auf den künstlerischen Korpus aufkleben darf.

Seine ebenso leidvollen wie kräftig auf den Hörergeist zugreifenden Melodien bezieht das sehnsüchtige Quartett offenbar aus den hintersten Refugien menschlichen Depressionsempfindens, so scheint es. Und dennoch, die gefühlvollen Sterbelieder der vier melancholischen Franzmänner sind wie selten imstande, leuchtende Hoffnungsschimmer in den Hörerseelen zum glimmen zu bringen. Ein Paradoxon? – laut Statement von Sänger und Gitarrist Manuel eigentlich nicht.

„Wir hören uns ja auch eine ganze Menge an musikalischen Stilistiken an. Bei uns gehen die Hörgewohnheiten von 1970er Pop und Rock bis hin zu Black Metal. Wir haben da überhaupt keine Limits, aber egal, was wir uns reinziehen, wir hören Musik mit Leib und Seele. Zwischen Tür und Angel konsumiert keiner von uns sechs seine favorisierten Sounds, und wir knien uns da auch allesamt emotional metertief rein. Daher sind auch unsere eigenen Kompositionen ständig andersartig: Mal traurig, mal hoffnungsvoll. Und so sind unsere hauptsächlichen Einflüsse mit Pink Floyd, Paradise Lost, The Mars, Volta und auch Opeth zu benennen. Denn diese Gruppen kreierten jede für sich etwas ganz Spezielles, etwas Neues, etwas Einzigartiges und dabei auch Persönliches. Ich glaube, die genannten Eigenschaften sollten das Nonplusultra in den Bestrebungen eines jeden ernsthaften Musikers sein.“

Auffällig weise gesprochen. Aber ebenso interessant ist auch die Entstehung des eigenwilligen Stiles von The Old Dead Tree, wie Manuel vorgibt. „Seit wir die Band ins Leben riefen, wollten wir etwas völlig Neues machen – etwas, das einen ureigenen und individuellen Mix der von uns bevorzugten Bands darstellt. Und je mehr wir nachfolgend reiften und je mehr unsere kreativen Fähigkeiten anwuchsen, desto mehr Bands entdeckten wir für uns als Einflussgeber. Wir finden das noch immer höchst ergiebig und reizvoll. So werden wir auch weiterhin versuchen, sämtliche musikalischen Grenzen zu durchbrechen und genau auf diesem Wege weiterzumachen.“

Diesmal half ihnen Produzent Andy Classen nach Kräften in seinem Stage One-Studio dabei. Manuel hat für den etablierten Reglerprofi nur lobende Worte übrig:

„Andy ist wirklich ein exzellenter Soundmann. Wir sind glücklich mit der von ihm geleisteten Arbeit und dem unserer Meinung nach supertollen Endergebnis. Er mag unsere Musik sehr und involvierte sich daher vollauf in unsere Songs und die Aufnahmen. Unser neues Album beinhaltet einen wundervoll modernen Gesamtsound, den Andy sehr souverän hineingezaubert hat. Exakt so haben wir uns die neuen Lieder im Vorfeld vorgestellt. Normalerweise arbeitet er ja eher mit all den extremen Metal-Bands, wie beispielsweise Disbelief oder Dew Scented, doch unsere Kompositionen haben es ihm offenbar total angetan und er kann sich für die Musik von The Old Dead Tree riesig begeistern. Er schätzt uns als eigenständige Band. Es hat ihm sichtlich gut getan, mit uns mal etwas ganz anderes zu machen. Und ich selbst kann mir auch keinen besseren Platz vorstellen, um unsere Songs bestmöglich zu produzieren“

Der aktuelle Albumtitel „The Perpetual Motion“ erweckt nicht wenige Spekulationen hinsichtlich seiner Bedeutung zum Leben. Manuel lässt es mich genauer wissen:

„Der Plattentitel entstammt dem Songtext des Tracks `Everyday Life`. Das Lied erzählt davon, wie sich der besungene Hauptcharakter in seinem Innersten immer verlorener und ängstlicher fühlt, umgeben von einer im immer bedrohlicher erscheinenden Masse an Menschen. Wir sehen den Titel der neuen CD aber eher metaphorisch: Unsere Band veränderte sich ja doch sehr in manchen Belangen während der letzten zwei Jahre, und unsere Art des Komponierens ist heute eine andere als damals. So rekrutierten wir einen neuen Drummer und hatten zudem eine ganze Menge Gigs in den verschiedensten Orten der Welt zu spielen. So fühlen wir uns als neugierig Reisende in einer konstanten – emotionalen – Lebensbewegung.“

Für ihr aktuelles Werk arbeitete die Band sehr hart und entschlossen, und so einigen Hindernissen zum Trotz, wie der Sänger und Gitarrist noch Wert darauf legt zu berichten.

„Als der Leistungsdruck anstieg, mehrten sich auch die Konflikte innerhalb der Band. Irgendwann schwelte ein unterschwelliger Krach und machte uns allen das künstlerische Leben schwer. Als es mehr und mehr Spannungen gab, ebbte der Prozess des Songwritings gar für einige Monate ganz ab. Das war überaus betrüblich für mich. Doch in dieser Periode fiel es mir seltsamer Weise leichter als je zuvor, gute Songtexte für unsere Lieder hinzukriegen. Auch mussten wir uns zusammensetzen und in aller Offenheit über unsere internen Probleme sprechen, was keinem von uns leicht fiel. Doch wir rauften uns zusammen, denn wir wollten ja alle an einem Strick ziehen. Und als wir dann endlich das alles entscheidende und klärende Gespräch hinter uns hatten, fühlten wir uns mehr motiviert als jemals zuvor. Das war echt ein großartiges Gefühl. Und es hat bis heute angehalten. Man sieht uns diese gute Stimmung auch deutlich auf den aktuellen Pressefotos an, die unser Fotograf Tanguy Urbain geschossen hat.“

© Markus Eck, 12.08.2005

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