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Special: ...Just Dreaming • 1994
Titel: Gemeinsame Vision

Klotzen statt kleckern lautete das programmatische Motto für den ambitionierten Harttrupp um Brüllwürfel Felix Stass erneut.

Bereits ein Jahr nach dem 1993 veröffentlichten, überraschend erfolgreichen Debütalbum „Transmigration“ hatten die Baden-Württemberger Gothic Death Metal-Aufsteiger auch schon den ebenfalls stabilen Nachfolger „...Just Dreaming“ parat.

Geträumt wurde von diesen ausgesprochenen Überzeugungstätern schon zu der Zeit aber lediglich, wenn es um kompositorische und stilistische Visionen ging.

Auf diversen Ebenen präsentierte sich das junge Quintett bei der Gelegenheit daher gleich auch hörbar erweitert bis verbessert.

„Der Erfolg des Debütalbums hat uns doch alle überrascht und natürlich auch motiviert. So arbeiteten wir recht schnell wieder an neuen Songs und auch Massacre Records wollten recht schnell ein Nachfolgeralbum veröffentlichen“, rahmt Beckenpeiniger Markus Jüllich den Kontext.

Er offenbart, dass er sich diesen atmosphärisch aufgeladenen Silberdreher schon lange nicht mehr angehört hat. „Dies aber nicht, weil ich nicht mehr hinter der Scheibe stehe, sondern eher aus zeitlichen Gründen. Wenn ich mir die Platte allerdings nach einer gewissen Zeit mal wieder reinziehe, muss ich doch feststellen, dass man die Songs auch heute noch gut hören kann. Und ich finde, wenn man bedenkt, dass das Album mittlerweile schon über 20 Jahre alt ist, haben wir da gute Arbeit geleistet.“

Für die Band war es sehr spannend, den Werdegang der zweiten Liederkollektion nach deren Veröffentlichung erleben zu dürfen.

„,Transmigration‘ lief gut und wir wollten natürlich mit dem zweiten Album eine Produktion abliefern, welche sowohl bei den Fans als auch bei der Presse noch besseren Anklang bekommen sollte als das Debütalbum. Wir wollten erfolgreicher werden und waren natürlich immens neugierig darauf, wie das ,...Just Dreaming‘-Album bei den Fans ankommen würde. Wir wollten noch eine Schippe drauflegen.“

Fühlten sich die Bandmitglieder damals von der Erwartungshaltung dazu diktiert, den Albumvorgänger überbieten zu müssen? Markus winkt lässig ab:

„Nein, Druck haben wir uns noch nie gemacht. Wir hatten unsere Crematory-Richtung mit dem Debütalbum gefunden und haben mit ,...Just Dreaming‘ versucht den Stil weiter auszubauen und zu verfeinern. Natürlich wollten wir die Verkaufszahlen von ,Transmigration‘ toppen, doch Druck haben wir uns da nicht wirklich gemacht. Wir sind einfach unseren Weg gegangen.“

Mit „...Just Dreaming“ verbindet der kernige Schlagzeuger stets auch seine ganz persönlichen Erinnerungen an den ersten Crematory-Videodreh.

„Es war zum damaligen Zeitpunkt absolut super für uns, dass wir zu ,Shadows Of Mine‘ und ,In My Hands‘ zwei Videoclips drehen durften, welche dann auch noch in damaligen TV-Sendungen zu sehen waren! Das war schon ein tolles Erlebnis und komplettes Neuland für jeden von uns in der Band. Es fühlte sich echt sensationell an. Auch heute schaue ich mir die kultigen Clips von damals noch gerne an.“


Mit „Shadows Of Mine“ wurde von den Beteiligten der allererste deutschsprachige Song produziert, welcher sich dann auch als Favorit bei vielen Fans herauskristallisierte, so der Stockschwinger. „Außerdem haben wir bei Songs wie ,Dreams‘ mit für damalige Zeit sehr modernen und teilweise sogar ,trancigen‘ Keyboardsounds gearbeitet. Teilweise waren wir sogar der Zeit etwas voraus. Viele andere Bands hatten diese Einflüsse und Ideen erst viele Jahre später.“

Natürlich gehört „Shadows Of Mine“ als erster deutschsprachiger Crematory-Titel nach wie vor zu seinen Favoriten dieses Albums, lässt der stets taktsichere Zeitgenosse wissen. „Jedoch finde ich nach wie vor auch heute noch, dass ,Dreams‘ einfach ein geiler Song ist, alleine schon wegen den eigenständigen Tastenklänge.“

Die zweite Langspielplatte seiner Kapelle klingt durchdachter, auf gewisse Weise ausgefeilter und insgesamt sehr viel arbeitsreicher als das Debütalbum. Wie sieht der Drummer das heute?

„Die Platte ist auch ausgereifter. Es war unser zweites Studioalbum und wir wussten nun was im Studio auf uns zukommt und konnten uns von daher besser vorbereiten. Außerdem hatten wir für das zweite Album im Studio etwas mehr Zeit zur Verfügung - und da kann man dann doch schon das ein oder andere ausprobieren.“

Das Songwriting für „...Just Dreaming“ basierte erneut auf gutem Teamwork, so erinnert sich Markus.

„Wir hatten die Songs, wie auch schon zum Debütalbum, gemeinsam ausgearbeitet und versucht, die verschiedenen Einflüsse unter einen Hut zu bringen. Wir wollten, dass sich jeder von uns mit den Stücken identifizieren kann. Das Grundgerippe der Songs wurde im Proberaum gemeinsam erarbeitet. Und mit dieser Basis ging es dann ins Studio. Wobei wir schon die Abläufe und Teile der Lieder fertig hatten, jedoch im Studio an diversen Parts, Strukturen und auch vor allem an den Sounds noch von uns gefeilt wurde. Den jeweiligen kompositorischen Grundstock lieferte meistens unser damaliger Gitarrist Lotte mit Gitarre oder Keyboard. Lotte war also sozusagen federführend. Und darauf wurde dann kollektiv aufgebaut.“

Auch zu diesem Album hatten Crematory ihrem Sänger Felix freie Hand gelassen was die Lyriken anbelangt. „Felix hat für die ,...Just Dreaming‘-Scheibe persönliche Erlebnisse mit seinen Texten verbunden. ,Shadows Of Mine‘ ist mein Lieblingstext, vielleicht auch deshalb, weil er in Deutsch ist und man sich hiermit besser identifizieren kann.“

Vor dem zweiten Album wurde Bassist Heinz Steinhause gegen Harald Heine ersetzt.

Meinungsverschiedenheiten gibt es immer, konstatiert Markus, aber die Formation fand auch immer Lösungen.

„Die Bandchemie hat eigentlich bei uns schon immer gestimmt. Ansonsten wäre es uns nicht möglich gewesen, über so viele Jahre hinweg zusammenzuarbeiten und dabei vor allem auch erfolgreich miteinander zu sein. Klar festigt die Zusammenarbeit und der Erfolg auch die Bandchemie, aber unsere Zusammenarbeit hat einfach von Grund auf gut funktioniert.“

Am schnellsten von allen enthaltenen Stücken war „Shadows Of Mine“ produziert, wie sich der Trommler Jahre später dazu entsinnt.

„Hier waren wir alle rasch zufrieden und fanden auch den deutschsprachigen Text allesamt super. Welcher der Songs am längsten bis zur Fertigstellung gedauert hat, kann ich gar nicht mehr so genau sagen. Es ist bei jeder Produktion so, dass es Nummern gibt, die im Nu fertig sind, es aber wiederum auch Songs gibt, an denen einfach länger gefeilt wird.“

Zum damaligen Zeitpunkt ging es bei Crematory aus der reinen Death Metal-Richtung mehr in die Gothic Metal-Direktive. Der Drummer blickt im Geiste zurück:

„Bands wie Paradise Lost, Tiamat oder auch My Dying Bride waren zu diesem Zeitpunkt sehr erfolgreich und hierdurch wurden wir beeinflusst.“

Der Todesstahl-Anteil ist - von den Growl-Vocals abgesehen - auf „…Just Dreaming“ merklich reduziert worden, die Gothic-Elemente und atmosphärischen Anteile wurden vermehrt.

„Wir hatten unseren Stil gefunden und haben daran gearbeitet und gefeilt. Wir wollten eine Weiterentwicklung von ,Transmigration‘ produzieren und haben mehr auf die atmosphärischen und melodiösen Keyboard-Parts gesetzt. Die Keys wurden auf diesem Album wichtiger als beim Debütalbum.“

Produziert wurde das Album in den Commusication Studios von Stammproduzent Gerhard Magin. „Bei ihm haben wir unsere ersten Platten produziert und er war auch ein wichtiger Mann für unsere ersten Produktionen. Er konnte sich super mit der Musik identifizieren und den ein oder anderen wichtigen Tipp liefern. Zwar waren die Songs größtenteils vor Beginn der Studiozeit bereits fertig, doch gerade auch an den Sounds wurde dann im Studio gefeilt und auch noch das ein oder andere Arrangement verfeinert.“

Auch für dieses Album gab es eher negative als positive Kritiken der Fachpresse.

Was die Band jedoch nicht allzu negativ stimmte, da sie diese Erfahrung ja bereits beim Debütalbum machen mussten, wie Markus erzählt.

„Für uns waren schon immer die Resonanzen der Fans wichtiger als die der Presse. Wir haben uns zwar über manche der Artikel geärgert, aber im Endeffekt darauf geschissen und unser Ding durchgezogen.“

Markus, Felix, Lotte, Harald und Katrin konnten mit diesem Album weitaus bessere Absätze weltweit verbuchen.

„Wir konnten die Verkäufe zum Debütalbum sogar verdoppeln, was auch für dieses Album wieder ein enormer Erfolg war. ,...Just Dreaming‘ hat auch heute noch gute Verkaufszahlen und liegt so circa bei 100.000 verkauften Einheiten. Jedoch lag auch hierbei der Hauptanteil wieder in Deutschland. Es kamen zu dem Zeitpunkt allerdings auch schon viele Resonanzen aus dem Ausland und es gab sogar jeweils eine separate Japan- und USA-Pressung.“

Das Frontcover wurde wie für „Transmigration“ vom Maler Herrmann Hoormann gepinselt. „Uns hat sein Stil von Anfang an sehr gut gefallen und wir haben uns bei ,...Just Dreaming‘ speziell für dieses Bild entschieden, da wir auch einen gewissen Bezug zu den Texten herstellen konnten.“

© Markus Eck, 25.05.2016

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