Interview: | AMBERIAN DAWN |
Titel: | Einzig auf Relevantes fixiert |
Die Historie dieser anspruchsvollen skandinavischen Ästhetenmetaller beginnt im 2006er Sommer, als sich die beiden Finnen Tuomas Seppälä und Tommi Kuri entschlossen, ihrer vorherigen Band Virtuocity den Garaus zu machen. Schnell fanden sich zudem wie üblich einige gleich gesinnte Musikanten zusammen, finalisiert wurde der damalige Neurekrutierungsvorgang durch die klassisch ausgebildete und agierende Sopranistin Heidi Parviainen.
Letztere erwies sich auch als begnadete Lyrikerin, welche mittlerweile sämtliche Lieder betextet. Amberian Dawn bergen in ihren Kompositionen feinsinnig kreierte Elemente aus den Bereichen Gothic-, Symphonic- und Melodic Power Metal, was die Bombastband nun auf dem aktuellen zweiten Studioalbum „The Clouds Of Northland Thunder“ eindrucksvoll zelebriert.
Vielfalt auf allen Ebenen heißt das Motto des Sextetts. Und der gegenwärtige Plattennachfolger zum Debütalbum „River Of Tuoni” hat nicht nur Anhängern von bekannten Erfolgsmodellen wie beispielsweise Nightwish oder auch Epica viel zu bieten.
Ich spreche mit Gitarrist, Keyboarder, Hauptkomponist und Musikfanatiker Tuomas Seppälä, einem überraschend eigenwilligen und ehrlichen Charakter.
„Dieses neue Album zeigt uns in weiter entwickelter Form. Unser Stil erschließt sich auf der Scheibe nun viel klarer definiert. Meiner Ansicht nach ist der Gesamtsound des Werkes auch ohnehin nicht mehr so aggressiv wie derjenige von `River Of Tuoni`, die Lieder kommen mächtiger und wärmer rüber. Wir brachten zwar eine ganze Menge an Keyboard- und Orchestralpassagen ein, dennoch sind eine breite Vielzahl an kernigen melodischen Gitarrenriffs zu hören. Einige der Soli sind sogar ganz schön irre komplex geworden, ich staune noch immer drüber. Wir gaben jedoch tunlichst Acht, die Lieder nicht zu überfrachten, denn es sollte unbedingt genug Entfaltungsspielraum für die Stimme von Heide übrig bleiben, speziell in den eher gesetzter wirkenden Stellen der Stücke. Eigentlich haben wir aber sowieso nur zwei `langsame` Nummern auf dem neuen Album. Dem Anspruch, einer gewünschten weiten stilistischen Bandbreite adäquat Rechnung zu tragen, sind wir auch glücklicherweise bestmöglich gerecht worden“, spricht der Meister über das kollektive Schaffen von Amberian Dawn in aller Besonnenheit.
Fünf Kerle und eine zarte Frau in einer Metalband, das hört sich eigentlich nach nicht immer reibungsfreier Zusammenarbeit beziehungsweise Geschlechterkampf an.
Doch Tuomas relativiert diesen Gedankengang blitzschnell:
„Bei uns klappt es alles in allem einfach wunderbar. Natürlich gab und gibt es immer kleinere Meinungsverschiedenheiten, ganz besonders auf einer längeren Tournee, doch Solcherlei hat uns noch niemals einen handfesten Streit beschert. Bislang haben Heidi und ich trotz minimaler Probleme noch immer primär als sich gegenseitig bestens ergänzendes kreatives Team musikalisch kooperiert, obwohl wir doch eigentlich beide so starke Geister in uns haben.“
Der Saitenmaestro berichtet gerne noch ein wenig zu den Intentionen der Kehlenkönnerin.
„Heidi schreibt sämtliche Lyrics komplett im Alleingang. Sie ist sehr vielfältig interessiert und liebt es, nationale finnische Mythologien, Legenden etc. zu studieren – das finnische Nationalepos, die `Kalevala`, hat es ihr dabei immer wieder ganz besonders angetan. Aber sie kann sich sowieso für jedweden mystischen beziehungsweise mythologischen Geschichtenstoff begeistern. Das ist die Basis für ihre Texte. Ich persönlich stehe am allermeisten auf die düsteren beziehungsweise eher dunklen Texte, welche Heidi verfasst, denn diese sind optimal mit der Musik zu kombinieren, die ich schreibe und spiele. Heidi hört sich im Zuge dessen stets zuvor meine Ideen beziehungsweise Songs an und schreibt daraufhin ihre Textzeilen nieder.“
Ein so dermaßen starker und markant ausgeprägter Individualistengeist wie Tuomas kann natürlich herzlich wenig mit der heutigen populären Musiklandschaft anfangen:
„Daher habe ich auch eigentlich gar keine Meinung dazu zu verkünden. Ich höre mir ehrlich gesagt überhaupt keine neue Musik an – tatsächlich schenke ich mein Ohr sowie nur in sehr wenigen exklusiv ausgesuchten Momenten anderen Klangkünstlern. Ich liebe die alten Meister wie beispielsweise Ritchie Blackmore und Ronnie James Dio. Daneben kann ich mich sehr für ausgesuchte edle Klassik erwärmen und beispielsweise sogar für die alten zeitlosen Hits von ABBA. Aber all diese neuen `Künstler`, wie man sie seit einigen Jahren in den vielen `Superstars-Wettbewerbs-Shows` ertragen muss, empfinde ich als das größte Krebsgeschwür, welches das gesamte Musikgeschäft jemals befallen hat.“
Richtig guten epischen und ergötzlich bombastischen Melodic Symphonic Metal sind bekanntlich nur sehr wenige der neueren Genrerepräsentanten imstande zu inszenieren.
Mein Gesprächspartner wagt abschließend eine kleine Analyse zu diesem musikalischen Bereich:
„Das hängt davon ab, ob die Beteiligten einer solchen Band überhaupt eine tiefer gehende Ahnung zu wichtigen klassischen Musiktheorien haben beziehungsweise ob sie sich über spieltechnische Relevanzen überhaupt ausreichend im Klaren sind. Ohne profunde Kenntnisse klassischer Musik ist es meiner ureigenen Ansicht nach sehr schwer bis gar nicht möglich, richtig qualitativen und vor allem zeitlosen Metal dieser Spielart überhaupt hinzukriegen. Dafür muss man zudem auch jahrelang emsig am Kompositionsvermögen und am eigenen Instrument trainieren.“
© Markus Eck, 27.05.2009
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