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Interview: BEHEMOTH
Titel: Unbeugsam bis zum Ende

Nicht nur mit dem Titel des neuen Albums wird sich Adam Michał „Nergal“ Darski innerhalb der judikativen Instanzen seines Heimatlandes Polen definitiv keine neuen Freunde machen.

Dem ewigen Idealisten, Freigeist und Dunkelphilosophen sind derlei Abwägungen aber auch diesmal vollkommen egal.

Mit „The Satanist“ zeigt der Gründer, Sänger, Instrumentalist und Maincomposer von Behemoth den seit Jahren gegen ihn laufenden Gerichtsprozessen in Sachen Blasphemie einmal mehr eisern entschlossen den okkult gereckten Mittelfinger mitsamt nadelspitzer Kralle.

Seit 1991 geht der kämpferische Frontmann für die Musik seiner erfolgreichen Höllencombo ohnehin durch dick und (sehr) dünn, wie der erfolgreich von einer Leukämie-Erkrankung Genesene bis heute beeindruckend beweist.

„Eigentlich fühle ich mich derzeit besser als je zuvor“, erklärt Nergal voller Stärke in der Stimme, „ich befinde mich sozusagen in der Form meines Lebens. Ich habe die Krankheit erfolgreich besiegt und sie hat mich auch reifer gemacht. Ich bin der Ansicht, dass mir das sowieso nicht ohne tieferen Grund widerfahren ist. Das war ein Zeichen des Schicksals, um künftig noch besser auf mich aufzupassen.“

Um es auf den Punkt zu bringen:

„Ich bin Nergal in Hochform und ich habe ein neues Album in Hochform am Start. Ich werde all meine Energie investieren, um die Scheibe und die kommenden Live-Gigs zu einem Rundum-Erfolg werden zu lassen.“

Und so offenbart das aktuelle Nachfolgewerk zum 2009 erschienenen Langdreher-Spektakel „Evangelion“ den urgewaltigen und verschlingenden Death Metal-Sound des perfiden Danziger Quartetts in überirdischer Intensität:

Unheilschwanger bedrohlich, mit bombastisch opulenten Arrangements unterlegt und wahrlich apokalyptisch monströs.

Nergal strotzt nicht umsonst im Weiteren geradezu vor Selbstwertgefühl, ohne aber arrogant zu wirken. So kennt man ihn, und daher möchte man ihm das Folgende auch gerne abkaufen: 


„Das neue Album repräsentiert ganz klar das Beste, was Behemoth je erschufen. Obwohl ich hier in den nächsten Tagen den finalen Gerichtstermin hinsichtlich der laufenden Anklage wegen Gotteslästerei und Religions-Beleidigung erwarte, bin ich in Gedanken gerade einzig nur bei ,The Satanist‘. Aber selbst, wenn ich abschließend doch noch schuldig gesprochen werden sollte, Behemoth ist längst mein Leben geworden. Und dass ich für die Band selbst bis zum Allerletzten kämpfen werde, hört man den neuen Liedern auch gänzlich an, denke ich. Mir ist es das alles vollauf wert. Schließlich geht es um meinen inneren Frieden mit mir selbst. Um meine authentische künstlerische Entfaltung. Und nicht zuletzt auch um die Freiheit der freien Meinungsäußerung. Ich kämpfe jedenfalls auch weiterhin wie ein verdammter Löwe. Wer sich ,The Satanist‘ aufmerksam und tiefgründig anhört, der spürt das auch bis ins Mark.“

Danach thematisch passend befragt, ob er sich selbst als Satanist sieht, erläutert der Mann in aller Seelenruhe:

„Ich stehe bekanntlich für gewisse - freiheitliche - Werte ein. Und ich stehe gänzlich hinter dem, was ich sage und tue. Ja, ich schätze, ich bin ein Satanist. Wie man ,Satanismus‘ nun letztlich individuell definiert, das ist eine ganz andere Frage.“



Das Gespräch bewegt sich weiter zum Albumtitel und der dahinter stehenden Bedeutung.

Der vom Drang nach unbedingter Selbstverwirklichung Besessene bleibt merklich besonnen bei seinen Ausführungen. 


„Der Titel steht einerseits plakativ für das Böse, das Hexerische und das Unheimliche, was der Großteil der Unwissenden wie immer seit Jahrhunderten dahinter sehen mag. Auf der anderen Seite, und so sehe ich es, versinnbildlicht ,The Satanist‘ auf multidimensionale Weise den Triumph des einzelnen Individuums. Den Wert der Erleuchtung. Den Gewinn der Weisheit. Das Aufbäumen der Schönheit des Lebens an sich. Ich kann mich damit restlos identifizieren. Schließlich suche ich seit ich überhaupt denken kann, anhaltend (wissens)hungrig nach derlei Werten. Heute bin ich stolz auf das, was ich geworden bin und was ich mit Behemoth dementsprechend umsetze.“

Für den außergewöhnlich ausdauernden Sänger und Gitarristen steht der ewige Archetypus Satan in diverser Hinsicht für absolute Stärke, wie er ergänzend kundtut.

„In der christlichen Bibel kommt ihm nicht umsonst die prägende Rolle eines der Stärksten überhaupt zu.“

Als der Dialog zu den Lyriken der neuen Lieder übergeht, wird der Tonfall des Befragten lauter.

„Ich hoffe inständig, dass der hohe Anspruch, den ich darin umsetzte, erschöpfend von den Fans erfasst wird. Das Ganze ist doch sehr komplex und äußerst vielschichtig geworden, beileibe also nichts für schnellen und oberflächlichen Konsum. Tiefer möchte ich dazu eigentlich nicht gehen. Unsere Anhänger sollen sich am besten selbst ihr ganz eigenes Bild von den eingebrachten Themen machen. Der Albumtitel überdacht die Texte der Songs jedenfalls absolut optimal.“

Wie danach von dieser außergewöhnlichen Persönlichkeit in Erfahrung zu bringen ist, öffnete sich Nergal seinen Bandkollegen für das neue Werk sehr viel mehr, als es in Sachen Kooperation und Dialogführung in den letzten Jahren der Fall war.

Der unbeirrbare Düstergeist gibt preis:

„Dies manifestierte sich primär im Produktionsprozess des neuen Albums, wovon sogar der Endmix maßgeblich tangiert wurde, was bislang noch niemals bei uns vorkam. Ich hatte immer das Zepter in der Hand. Doch die letzten Jahre haben mich bezüglich Behemoth definitiv demokratischer werden lassen.“


Auch den Löwenanteil des aktuellen Songmaterials mitsamt Arrangements hat der polnische Purist und Powertyp einmal mehr im respektablen Alleingang erarbeitet.

„Ich bin eigentlich ein ständig kreativer Mensch. Die ersten Ideen entstanden bereits konkret nach der damaligen Haupttour zum letzten Album. Es gab zwar einige Unterbrechungen, aber das bin ich gewohnt, das hält mich nicht groß im Arbeitsfluss auf. Insgesamt nahmen die Stücke circa ein halbes Jahr Arbeit in Anspruch. Abgeschlossen habe ich das Songwriting dann im Januar 2013, einen Monat später waren wir auch schon im Studio damit.“

Es war auch diesmal immens viel Aufwand vonnöten, um alles bestmöglich nach genauer Vorstellung seiner Formation verwirklichen zu können, so Nergal.

„Wenn ich daran denke, wie viel Energie, Mühe und Hingabe wir schon in die letzten beiden Alben steckten, so kann ich jetzt ganz getrost behaupten, dass wir uns für ,The Satanist‘ auf allen Ebenen noch mehr verausgabten. Ich wäre eben nicht ich, wenn ich es nicht genau so hätte haben wollen. Alles für Behemoth.“


© Markus Eck, 08.01.2014

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