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Interview: BORKNAGAR
Titel: Die Suche nach höheren Wahrheiten

Die trotz ungewöhnlicher Soundvielfalt in weiten Metallerkreisen beliebte Norwegermeute um Bandgründer, Frontmann und Gitarrist Øystein G. Brun meldet sich nach längerer Veröffentlichungspause mit einem neuen Album-Epos zurück.

Die stilistisch in eher progressivere Kompositionsgefilde führende künstlerische Route, welche sich das Nordic Metal-Quartett mit seinem letzten Werk „Empiricism” im Jahr 2001 weiter ausbaute, scheint für die drei Musiker und Vokalist Vintersorg nun vollständig und problemlos befahrbar.

Mit „Epic“, so der Werktitel des aktuellen musikalischen Erlebnistrips in mannigfaltige Sphären, wollten sich Borknagar in Sachen Songwriting laut Øystein in erster Linie auf gar keinen Fall selbst duplizieren.

„Ich muss zustimmen, wenn mir wie jetzt gesagt wird, dass die neue Platte progressiver als alles ist, was man von Borknagar je zuvor gehört hat. Und genau so sollte es auch sein. Auch trifft es zu, dass `Epic` insgesamt schwerer in seiner Gesamtheit zu erfassen ist, als es `Empiricism` ohnehin schon war. Aber sich selbst zu wiederholen, liegt mir überhaupt nicht. Darum klingt unsere aktuelle Scheibe eben wieder mal anders als die vorhergehenden Alben von Borknagar“, ist sich der für seinen schier unerschöpflichen Ideenreichtum bekannte Skandinavier sicher.

„Oberste Priorität genießt bei uns daneben auch stets das künstlerische Streben nach größtmöglicher Qualität, wenn es darum geht, neue Songs für die Band zu schreiben. Nicht nur, weil unsere Fans das von uns erwarten, sondern auch, weil wir selbst immer wieder von neuem danach streben.“

Und diese hohe Güte wurde erneut erreicht, wie Meister Brun noch mit auffallend ernster und besonnener Stimme ergänzend zu Protokoll gibt.

So ist der Gitarrist mit „Epic“ insgesamt höchst zufrieden, auch mit der Produktion, wie zu erfahren ist.

„Klar, unsere in Black-, Death- und Heavy Metal primär wurzelnden Trademarks behalten wir bei, schließlich ist das die Musik, mit der wir aufgewachsen sind und die wir lieben.“

Aber das ist eben, wie auch im aktuellen Falle, nur das verzweigte Grundfundament für den Sound von Borknagar, wie er weiter ausführt.

„All die fragil gespielten Akustikgitarrenlinien, die zahlreichen Folklore-Passagen, die ganzen aus Growl- und Klarstimmen bestehenden Dualgesänge, die vielfältig arrangierten Männerchöre sowie die umfassende Keyboard- beziehungsweise Orgelarbeit stellen für mich in meiner Band letztendlich erst das würzende Salz in der Suppe dar.“

Und gerade inmitten der sekundären Sounds seiner heroisch anmutenden Musik tobt sich Øystein mit seinen Mannen nur zu gerne ausschweifend aus.

Und dies geschieht auf jedem weiteren Album sogar noch ein wenig mehr, wie er nachfolgend dezent lachend zugibt.

Dass hierbei gewissen Entwicklungsparallelen zur Hauptband von Borknagar-Sänger Andreas Hedlund aka Vintersorg gezogen werden können, will der neuerdings kahlköpfig geschorene Øystein anfangs nicht so recht gelten lassen, lenkt dann aber doch ein.

„Es stimmt schon, beide Bands, sowohl Borknagar als auch Vintersorg, zeichneten sich in ihren Anfängen vordergründig durch überaus episch melodisierte und mit starker heroischer Anmut einhergehende Lieder aus, die bekannter Maßen als außerordentlich eingängig und nachvollziehbar eingestuft werden können. Mit der Zeit entwickelte sich sowohl in Vintersorg als auch bei uns jedoch eine ausgeprägte Komplexität, die von Jahr zu Jahr mehr ausuferte.“

Ein aber nur natürlicher Entwicklungsvorgang, den wohl jeder ernsthafte Musiker durchmacht, wie er meint. Doch:

„Den relevanten Hymnenfaktor in unseren Songs wollen wir uns aber auf jeden Fall erhalten, auch wenn die Stücke jeweilig anspruchsvoller und durchstrukturierter werden – schließlich sind wir dafür beziehungsweise damit bekannt geworden. Auch auf die ausgewogene Balance zwischen all den eingebrachten Bestandteilen achten wir mit einem sehr wachem Auge.“

Wir gehen im Weiteren zu den lyrischen Belangen der aktuellen Tracks von „Epic“ über, deren Songtitel wie „Future Reminiscence“, „Sealed Chambers Of Electricity“, „The Weight Of Wind“ oder auch „The Inner Ocean Hypothesis“ erstmal auf tief schürfende Textvielfalt schließen lassen. Eine betont lässig phrasierte Erläuterung folgt:

„Ein spezielles, ineinander verflochtenes Konzept verfolgt die neue Platte nicht, das gleich vorweg. Für die anspruchsvollen Texte unserer Songs wird stets einige Mühe aufgebracht, das bedeutet uns sehr viel. Auf `Epic` sind sie erneut als eine Art Suche nach höheren Wahrheiten zu sehen, und das auf vielerlei Ebenen: Irdisch, überirdisch, astral, mental, dann und wann ein wenig esoterisch usw.“

Doch insgesamt wollen Borknagar weder neue Fragen stellen noch endgültig wirkende Antworten geben, wie der Saitenartist klarstellend verlauten lässt.

Sondern die Musiker wollen den Geist ihrer Hörer laut Øystein vielmehr zum Nachdenken anregen.

„Noch immer ist Vieles nicht vollständig von den Menschen erforscht worden, worüber man nächtelang nachdenken kann; vor allem, wenn man diverse Zusammenhänge in Übereinstimmung bringt. Wir reflektieren die Geschehnisse dieser Welt lediglich, und das in lyrisch meist betont hypothetischer Art und Weise. Die überwiegend düsteren Lieder von Borknagar blicken auch heute noch, viele Jahre nach der 1995er Bandgründung, oftmals in nachdenklicher Manier weit in die Vergangenheit der Menschen zurück. Um im nächsten Moment, der nächsten Zeile schon wieder sehnlich suchend in die weit ferne Zukunft zu schweifen – dabei oftmals unterschiedlichste Zusammenhänge, auch philosophischer Natur, in Erwägung ziehend.“

© Markus Eck, 11.06.2004

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