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Interview: CRADLE OF FILTH
Titel: Von beängstigender Unheimlichkeit

1992, also in der Aufbruchsstimmung dieses Genres an sich gegründet, kann wohl keine Black Metal-Band neben Dimmu Borgir und Emperor die Tatsache für sich in Beschlag nehmen, das gesamte Metier so dermaßen beeinflusst zu haben wie dieses supererfolgreiche Sextett.

Und: Grenzenlos lieben oder abartig hassen, etwas anderes blieb einem dazu wohl bis heute auch nicht übrig. Zugegeben, äußerst selten, dass lediglich diese beiden extrem ausfallenden Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung standen, einer Band gegenüber zu treten, als es bei dieser berühmten britischen „Wiege des Bösen” seit Anfang an der Fall ist.

Doch die ständig wachsende Popularität gibt dem ebenso ständig kopierten Erfolgsmodell Cradle Of Filth bereits seit dem sensationellen 1994er Debütalbum „The Principle Of Evil Made Flesh“ in allen Belangen des Karriereverlaufs Recht.

Letzterer erfuhr vor nicht allzu langer Zeit erneut einen weiteren massiven Schub nach ganz vorne. Denn wie das New Yorker Label-Büro von Roadrunner Records vor Beginn dieses verregneten Sommers stolz verkündete, unterzeichneten die jederzeit im wachsamen Focus der schwarzmetallischen Öffentlichkeit stehenden Blasphemiker um Kreischkehle Dani Filth einen neuen Plattenvertrag mit der alteingesessenen Musikfirma.

Die sich bekanntlich selbst mit opulenter Theatralik inszenierenden Vampirjünger absolvierten im ersten Jahresquartal 2004 eine US-Tour, welche von den beiden Gruppen Type O Negative und Moonspell flankiert wurde.

„Wir sind schon sehr gespannt, wie die Dinge sich entwickeln, doch instinktiv glauben wir, die richtige Entscheidung mit diesem – eigentlich längst überfälligen – Labelwechsel getroffen zu haben”, ließ mich ein zwar überraschend entspannter, doch auffällig redseliger Dani eingangs wissen, welcher wie der Rest der plakativ blutrünstigen Truppe seit Ende Januar 2004 gerade noch an den letzten Feinheiten des neuen und sechsten Albums „Nymphetamine” in einem englischen Aufnahmestudio feilte.

Der Sänger knüpft daran mit ungebremstem Redefluss an: „Unser neues Albumwerk sollte eigentlich schon Anfang Juni 2004 erscheinen, doch aufgrund diverser Verzögerungen zieht sich der Termin leider voraussichtlich bis September des Jahres hin. Das neue Album erhielt von uns den Titel `Nymphetamine` und wird die Tracks `Medusa And Hemlock`, `Nemesis`, `Prey`, `Gilded Cunt`, `Absinthe With Faust`, `Painting Flowers White Never Suited My Palette`, `Coffin Fodder`, `Filthy Little Secret`, `Gabrielle` und noch `Swansong For A Raven` enthalten. Der Albumtitel `Nymphetamine` steht im groben für die drogenähnliche Sucht eines Mannes nach einer höchst reizvollen und betont lasziven Frau. Hierzu inspirierte uns die griechische Mythologie sehr.“

Die Veröffentlichung ihres vorhergehenden Studiolangspielers „Damnation And A Day“ ist ja nicht allzu lange her.

Da verwundert es mich schon ein wenig, dass die britannischen Vampirbestien schon wieder neues Songmaterial am Start haben.

Dani klärt die Leser in diesem Punkt nur zu gerne auf:

„Nun, ich stimme dir hier vollauf zu. Aber man muss natürlich auch bedenken, dass wir im Jahre 2003 über 100 Live-Shows gespielt haben. Aber eigentlich waren es ja ganze 109 Gigs, um genau zu sein.“ Wie Mr. Filth himself dann rasch noch anhängt, waren Cradle Of Filth dabei in Russland, Japan und auch in Amerika zugegen. „Und dabei haben wir nicht nur immens viele neue differierende Eindrücke und mannigfaltige Erfahrungen gesammelt, was wiederum auch eine Unmenge an Songwriting-Ideen in uns hervorbrachte.“

Wie der im Gespräch mit sehr starkem Akzent – wie er wohl in den englischen Grafschaften Essex und Suffolk üblich ist – fabulierende Keifsänger anschließend frohlockt, brachte die mitunter extreme Hektik dieser umfangreichen Konzertreisen und die dabei freigesetzten Energien die Kreativität der sechsköpfigen Höllenband immens auf Trab.

Dani erinnert sich hörbar erleichtert zurück:

„Wir hatten in den Monaten während und nach diesen Kräfte zehrenden Konzerttouren sogar circa 25 neue Kompositionen fertig gestellt, von denen dann letztendlich, wie zuvor erwähnt, die Hälfte für das neue Album `Nymphetamine` ausgewählt wurden. Wir als seit jeher passionierte Vollblutmusiker lieben es allesamt sehr, um die Welt zu touren und unsere Lieder für unsere Fans zu spielen, denn da können wir uns ganz unserer Musik widmen. Sicher ist das auch wie gesagt Kräfte zehrend und die ganze Band fühlte sich zum Schluss hin wieder mal enorm verbraucht und ausgebrannt, aber das sind wir unseren Anhängern doch auch nun einmal schuldig“, stellt der teuflische Kreischbarde mit einiger Überzeugung in der krächzenden Stimme fest.

Laut weiterer Aussage von Dani bewegen die neuen diabolischen Satanslieder sich im Fahrwasser der bisherigen Alben „Cruelty And The Beast“, „Midian“ sowie dem letzten Opus „Damnation And A Day“, ergänzt durch eine erfrischende Vielzahl neuartiger Melodien und gewohnt opulenter Orchestrierungen. Fest steht:

„Entgegen unserem 2000er Album `Midian` ist `Nymphetamine` definitiv kein Konzeptwerk. All unsere Anhänger können sich natürlich trotzdem wie immer auf ein extrem dunkles und beängstigend unheimliches Düsterwerk in allzu typischer Cradle Of Filth-Manier vorbereiten.“

Und es wird den Hörern gefallen, da ist sich mein Gesprächspartner sogar ziemlich sicher:

„Sehr zufrieden sind wir alle auch mit dem diesmal echt fetten Gitarrensound der Äxte, den wir dafür hingekriegt haben, was besonders gut auf dem Track `Gilded Cunt` zu hören ist. Ich würde unsere neuen Ergüsse glatt als `Iron Maiden auf Crack` titulieren.“

Um diese – einige Neugier auslösende – Einschätzung des nicht unumstrittenen Sängers vollauf bestätigen zu können, müssten sich Steve Harris & Co. dieser überaus gefährlichen Droge zuerst aber mal ausgiebig hingeben. Und dann in ihrem Proberaum eingesperrt werden.

Eine irrwitzige Vorstellung; da lassen wir uns dann doch lieber vom neuen Werk „Nymphetamine” überraschen.

Aus gegebenem Anlass schweife ich abschließend kurz noch von den Belangen des aktuellen Albums ab.

Wie in weiten Teilen der schwermetallischen Medien zu erfahren war, haben sich die Norweger Kollegen Dimmu Borgir vor einiger Zeit wieder von dem schwergewichtigen Maschinengewehr-Schlagzeuger Nicolas „Nick“ Barker getrennt – welcher in früheren Zeiten auch bei Cradle Of Filth den schnellen Trommeltakt weitgehend angab. Mit ihm will Dani jedoch auch noch heute überhaupt nichts mehr zu tun haben.

„Nachdem sich Nicolas damals von uns getrennt hatte und einige Zeit später mit Dimmu Borgir wieder nach oben kam, ließ er eine Zeit lang keinerlei Gelegenheit aus, um mich zu blamieren. Was sollte ich also noch mit ihm zu schaffen haben wollen?“, fragt mich der Sänger nun mit hörbar entschlossenem und herben Stimmfall. Ich dachte es mir fast so, aber nachfragen konnte man ja mal wieder.

Seinen erneut extremen Gesang für den neuen Blutsauger-Output lobt Dani im Weiteren hingegen mit überraschend schnell aneinander gesprochenen Wortreihen als sehr viel härter und stellenweise auch auffallend tiefer phrasiert, als dies in der Vergangenheit noch der Fall war.

„Was auch nicht zuletzt auch an den vielen vorangegangenen Live-Auftritten lag“, wie der für Pressefotos stets aufwändig kostümierte Vokalist erneut voller Stolz auf seine absolvierten Live-Leistungen zurückblickt.

© Markus Eck, 31.03.2004

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