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Interview: MALNÀTT
Titel: Zu Ehren der Wildschweine

Diese mir höchst willkommenen italienischen Ausnahmenkönner als eine regelrechte Offenbarung in Sachen Melodic Pagan Folk Black Metal zu feiern, ist sicherlich nicht untertrieben.

Denn wenn je eine Formation aus dieser Genre-Gilde dem für ewige Zeiten Ehrfurcht gebietenden Bandnamen Windir – wenn auch sowieso nur ansatzweise – das eiskalte Wasser reichen konnte, dann sind es zweifelsohne Malnàtt. Abgesehen davon, dass auch sie mit einem Akkordeon arbeiten. Das mit geradezu überwältigenden epischen Atmosphären vorgehende Septett fand 1999 zusammen und legt auf seinem faszinierenden Debütalbum „Carmina Pagana“ einen hohen musikalischen Reifegrad vor.

Textlich-konzeptionell zollt die siebenköpfige Horde den leckeren Schweinefleisch-Spezialitäten ihrer malerischen Heimat Tribut, in der seit 2000 Jahren feiste Borstenviecher gebraten werden. Cheflyriker Porz, ein ausgekochtes Schlitzohr mit sehr schrägem Humor, ist bei diesen außergewöhnlich talentierten Melodikern auch für erzgrimmige Vokalisierungen und Perkussionen zuständig.

„Ja, wir als Band sehen die Welt lieber durch die Augen eines Wildschweins als eines Ziegenbocks, was wiederum in unseren Augen eine interessante Alternative zum Einerlei der Schwarzmetall-Szene darstellt. Mit unserer Schweine-Konzeption betreiben wir dabei auch eine Art territoriales Marketing, um der Ökonomie unserer Heimat tatkräftig auf die Sprünge zu helfen. Immerhin haben Schweine nicht zuletzt intensive Orgasmen von oftmals 30 Minuten Dauer“, gibt der glatzköpfige und körperlich wuchtige Kehlenmeister eingangs vor.

Wie schön, ein Schwein zu sein, denke ich mir, und erkundige mich nach dem aktuellen Stand der Dinge.

Porz und seine schwarz gekleidete Gourmet-Horde arbeiten bereits an neuem Material, wie sich herausstellt.

„Unsere nächste CD soll in nicht allzu ferner Zukunft erscheinen. Wir werden versuchen, ein weiteres Konzeptalbum zu kreieren, mit musikalischen und lyrischen Leitmotiven, welche wieder massive Erinnerungen an uralte Zeiten erwecken sollen. Dabei wollen wir, ebenso wie auf dem aktuellem Album, lyrisch jedoch nicht bierernst agieren, sondern die ganze Sache mit lockerer Manier aufs Korn nehmen.“

Als wir daraufhin auf etwaige, vom Borstenvieh abweichende, textliche Inspirationen zu sprechen kommen, wird mein Gesprächspartner erst zum Scherzbold, wechselt dann aber rasch über in eine todernste Miene.

„Alkohol, Sex und Drogen? Nein, auf gar keinen Fall, das geht mir am Arsch vorbei. Satan, Odin, Blut oder einsame Wälder? Nein, das finde ich auch echt lachhaft und vor allem auch schon ziemlich ausgelutscht. Um ganz ehrlich zu sein, kann ich da gar keine definitiven Einflüsse für meine Texte nennen; keine Ahnung, weder Bands noch Schriftsteller. Eventuell beeinflusst mich primär die menschliche Stupidität an sich.“

Wie der unverkrampft humorige Perkussionist mir noch preisgibt, wollen Malnàtt gegen Ende dieses Sommers 2005 möglichst viel Werbung auf den Bühnen für „Carmina Pagana“ machen. „Für uns ist es jedoch nicht gerade einfach, an gute Gigs ranzukommen, da wir keine zuverlässige Konzertagentur mit guten Beziehungen hinter uns haben, die für uns die Auftritte bucht.“

Der gleichfalls abwechslungsreiche wie zündende Sound der Italiener verleitet zu allerlei Spekulationen, was musikalische Einflüsse dafür anbelangt.

Porz überrascht mit breit grinsender Miene:

„Eigentlich verstehe ich ehrlich gesagt selbst nicht ganz, wie wir überhaupt zusammen Lieder schreiben und spielen können – denn die Geschmäcker der einzelnen Mitglieder differieren sehr stark und haben eigentlich allesamt überhaupt nichts mit der Musik von Malnàtt zu tun. Unsere Band scheint jedoch ein heißer Schmelztiegel für die Vorlieben der Beteiligten zu sein. Unser kleinster gemeinsamer Nenner ist dabei wohl unsere ehrfürchtige Verbeugung vor Metier-Vorreitern wie Satyricon, Ulver, Darkthrone, Taake, Finntroll, Opeth und Turbonegro. Ich bin auch der Präsident der Turbojugend hier in Bologna.“

Die von mir gemachte Äußerung bezüglich des Kratzens von Malnàtt an der elitären Klasse der Windir-Scheiben erfreut den auskunftsfreudigen Schweineverehrer.

„Windir war eine wirklich großartige Band, und die modern ausgerichtete Inkarnation davon namens Vreid stellt meiner Meinung nach ein gutes Vermächtnis dar. Für uns ist es daher eine Ehre, den Namen Windir überhaupt mit uns in Verbindung zu bringen. Unsere Musik ist aber zu keiner Zeit davon beeinflusst worden.“ Na, umso besser.

Und um die Songs des aktuellen Werkes fertig zu kriegen, mussten die Italiener glatte drei Jahre an Zeit investieren, nicht gerade wenig.

„Eine halbe Ewigkeit in meinen Augen. Weil wir oft das Line-Up umstellen mussten, dauerte alles nur noch länger. `Carmina Pagana` ist daher in gewisser Weise eine ausgemachte Patchwork-Platte geworden. Unsere nächsten Veröffentlichungen werden daher um einiges weniger heterogen ausfallen“, verspricht er.

Hört man die teils grandios-obskuren, teils mit beschwingter Erhabenheit ertönenden Melodien des aktuellen Silbertellers dieser ergebenen Schweine-Fetischisten, dann wird man unweigerlich auf die Urheber solcherlei Tonfolgen.

Porz schafft hierzu gerne Klarheit: „Unser Gitarrist Lerz und unser Keaboarder Giaz sind glücklicher Weise zwei großartige Komponisten. Lerz hat sich dem norwegischen Schwarzmetall verschrieben, und dabei legt er einen ausgesprochen guten Geschmack an den Tag. Giaz hingegen hat sich auf progressiven und epischen Metal eingeschworen, daher entwickelte er ein absolut feines Gehört für eingängige Melodien.“

Das kommende Malnàtt-Album wird musikalisch wahrscheinlich nicht allzu weit vom aktuellen entfernt sein.

„Allerdings werden die Songs ein klein wenig `schwärzer` klingen. Wir lieben zwar Folk-Melodien, aber wir verehren auch die kalten Klänge der nordischen Black Metal-Tradition. In ferner Zukunft könnte ich mir bei Malnàtt auch einige Instrumentalsongs ganz gut vorstellen. Ebenso betont minimalistische und raue Sounds, experimentelle, schizophrene Soli sowie ausgelebte Einflüsse von Electronic- und Noise-Vorgaben.“ Letzteres aber bitte nicht, Mann!

© Markus Eck, 24.07.2005

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