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Interview: SALTATIO MORTIS
Titel: Keines Herren Knechte

Kaum war letztes Jahr der Nachhall ihres vor nicht allzu langer Zeit veröffentlichten Live-Albums „Manufactum“ einigermaßen verklungen, da meldeten sich diese jederzeit unberechenbaren Mittelalter-Rocker auch schon mit einem neuen Studiowerk zurück: Dem aktuellen Langspieler „Des Königs Henker“.

Die sieben ebenso fleißigen wie beständigen Spielleute aus Mannheim und dessen Umgebung lieben bekanntlich die Abwechslung in ihren Liedern über alles, demzufolge strotzt auch die besagte Liedersammlung wieder vor unerwarteten kompositorischen Überraschungen: Das Septett, bestehend aus Alea dem Bescheidenen, Der Fackel, Dominor dem Filigranen, Falk Irmenfried von Hasen-Mümmelstein, Lasterbalk dem Lästerlichen, Thoron Trommelfeuer und Ungemach dem Missgestimmten, scheint die musikalische Eigenständigkeit wieder geradezu gepachtet zu haben. So tauschte ich mich dazu eingehend mit Sackpfeifenbläser Dominor und Perkussionist Lasterbalk aus, was zu einem Wiedersehen von drei alten Bekannten geriet.

Wenn es nach dem laut eigenem Bekunden oftmals von der stressenden Moderne gehetzten Lasterbalk ginge, könnte dieser sich laut eigenem Bekunden das ganze Jahr gerne nur ausruhen und ununterbrochen Urlaub machen:

„Aber abgesehen davon geht es uns allen derzeit ganz gut, mich eingeschlossen. Wir warten natürlich voller Spannung auf die Veröffentlichung von `Des Königs Henker` und was die Hörer dazu sagen werden.“

Die Angespanntheit des umtriebigen Schlagwerkers kommt nicht von ungefähr, denn eigentlich stecken Saltatio Mortis pausenlos auf irgendwelchen Bühnen oder im Proberaum, wie er vorgibt.

„Und wenn dann mal wieder eine neue Platte fertig ist, wird schon wieder an der nächsten gearbeitet oder das Musikmachen selbst wird geprobt. Pausen ergeben sich da bei uns keine.“

Die ganze Band wünscht sich betreffs des neuen Silberlings vordergründig von Herzen, dass diesmal so viele Menschen wie möglich in den Genuss dieser Platte kommen. „Und dass sich die Hörer möglichst viel daran erfreuen. Vielleicht trägt es sich auch zu, dass selbst unsere härtesten Kritiker einmal in die Verlegenheit kommen etwas Positives über uns schreiben zu müssen.“ Den letzten Satz formulierte er lauthals lachend.

Mit Thomas „Trosi“ Heimann-Trosien gönnten sich die sieben Musiker einen neuen Produzenten für „Des Königs Henker“, informiert Lasterbalk mit freudiger Miene: „Mit seinen Sound-Ergebnissen sind wir wirklich vollauf zufrieden. Er stand uns die ganze Zeit über aufopfernd mit Rat und Tat zur Seite und hat echt großartige Arbeit geleistet.“

Natürlich stellte sich hier gleich die Frage wie es denn zum überraschenden Wechsel des Reglerdrehers kam. „Schon während der Produktion unseres 2003er Albums `Erwachen` hatten Produzent Lutz Demmler von Umbra Et Imago und wir beschlossen, dass es der Rock-Seite von Saltatio Mortis gut tut, neue Wege zu beschreiten. Dabei ist es mir wichtig, noch einmal deutlich zu erwähnen, dass wir Lutz für seine Arbeit mit uns sehr dankbar sind, dass er viel für uns getan hat und hoffentlich immer noch tun wird. Wir wären heute nicht so weit ohne ihn und seine Tätigkeit für uns. Und das wissen wir allesamt sehr zu schätzen. Leider kam das in den ersten aktuellen Pressemeldungen nicht so deutlich heraus. Danach haben wir zusammen mit unserem Management Ausschau nach einem neuen Mann hinter den Reglern gehalten. Dabei hatten wir mit mehreren Produzenten Kontakt, haben uns aber schon recht bald für Trosi entschieden, da mit ihm einfach die Chemie stimmte. Er wusste von seinen Produktionen mit den Bands In Extremo, Schandmaul und Letzte Instanz sehr genau wie man mit Mittelalterbands umgehen muss, wo die Stärken und Schwächen in diesen Bandgefügen liegen und wie man mit Dudelsäcken im Studio umgeht. Das aktuelle Ergebnis in Form von `Des Königs Henker` spricht deutlich für sich, denke ich.“

Doch neben Produzent und Studio, hat sich vor allem die Arbeitsweise der Gruppe selbst verändert. Der gute Dominor präzisiert resümierend: „Wir haben uns diesmal deutlich mehr Zeit genommen, um den neuen Sound zu erarbeiten und sind daher in der Phase der Vorproduktion zehn Tage nach Frankreich gefahren um wirklich mal weg vom Allgemeingeschehen an der neuen Platte arbeiten zu können. In dieser `Klausur` war dann auch Trosi mit dabei und eine nette Köchin, die der Meinung war, als junger Mann muss man mindestens fünf Mahlzeiten am Tag essen“, seufzt mein Gegenüber und langt sich dabei grinsend an die Bauchgegend.

Die nächste wichtige Neuerung bei Saltatio Mortis ist ohne Zweifel der Wegfall der Elektronik. „Durch die Arbeit mit der letzten Scheibe `Manufactum` waren wir mehr denn je auf handgemachte Musik eingestellt und so haben wir uns an unser Konzept unserer frühen Veröffentlichung `Heptessenz` erinnert, auf der wir alle Effekte mit natürlichen Sounds generiert hatten. Also haben wir dieses Mal typische Synthesizer-Passagen durch Effektgitarren oder andere Spielereinen ersetzt, oder schlicht und einfach weggelassen. Das Ergebnis ist deutlich rockiger und drückt viel mehr nach vorne.“

Wie sich Dominor dann zurückerinnert, war es ungefähr im Frühjahr 2004 als sie anfingen sich die ersten neuen Song-Ideen gegenseitig um die Ohren zu schmeißen; um sie dann oftmals auch wieder zu verwerfen oder doch das eine oder andere Stück Musik aufzuheben und einzubauen. „Im Prinzip haben wir dieses Mal stärker zusammengearbeitet als bisher. Die neuen Songs kommen alle von Alea, Fackel und mir. Jeder von uns dreien hat an Songs der anderen noch was verändert oder irgendwie umgemodelt, sodass es letztendlich bestmöglich in unser musikalisches Konzept passt. Da gibt es in der Regel meistens denjenigen bei uns, der eine Grundidee heranschleppt, einen der das nachfolgend arrangiert und einen, der das alles wieder verändert bis es ihm auch gefällt. Verwirrend? Nun ja, ein wenig, aber so ähnlich ging es bei uns manchmal schon zu. Uns ging es in dieser Produktion nicht zuletzt primär auch darum, die Könige in uns mundtot zu machen und mit möglichst wenig Egos konfrontiert zu sein. Das hat der gesamten Produktion sehr gut getan.“

Am auffälligsten ist dabei wohl die Tatsache, dass Saltatio Mortis keinerlei Synthesizer oder ähnliches mehr in ihre aktuellen Lieder eingebaut haben. Laut Lasterbalk geht das neue Material viel mehr auf die Gitarren zurück und dadurch sind sie dann auch viel härter als gewohnt geworden. Man erfährt: „Auch den mittelalterlichen Instrumenten, wie den von uns gewohnten Dudelsäcken und Schalmeien, aber auch Drehleier, Flöten und Cister haben wir mehr Platz eingeräumt. Zu erwähnen ist in diesem Kontext auch, dass wir zukünftig mit zwei Gitarristen auf der Bühne stehen werden.“

Spezielle Einflüsse für die aktuelle Scheibe konnte er mir nicht nennen, weil seiner Aussage nach jeder in der Band andere Vorlieben hat und die versucht mit einzubringen. „Das vermischt sich dann alles und übrig bleibt Saltatio Mortis. Wir haben uns nur vorgenommen unsere Instrumente und das was jeder Einzelne von uns speziell kann, mehr zu nutzen und entsprechend mit einzubauen. Jeder von uns steht absolut hinter jedem einzelnem Lied dieser neuen Platte und freut sich darauf, sie endlich komplett live zu präsentieren. Ein paar wenige Lieder spielen wir ja jetzt schon live.“

Generell sind die aktuellen Liedertexte weniger direkt, sie arbeiten mehr mit Metaphern und mittelalterlichen Bildern, wie Dominor anschließend meiner Fragestellung entspricht. „Da wir auch einen Text von Hermann Hesse verwendet haben, ist klar, aus welcher Ecke die lyrischen Einflüsse kamen. Dabei greifen wir aber sehr wohl moderne Themen auf, wie zum Beispiel den Irak-Kreuzzug von Georg W. Bush. Wo sind da noch die Unterschiede zu den Kreuzzügen des Mittelalters? Ich meine Herr Bush proklamiert ähnlich wie die damaligen Kreuzfahrerheere, dass Gott auf seiner Seite sei und den Gerechten – er meint damit natürlich sich selbst – den Sieg schenken werde. Bei mir hat diese Haltung viel Wut und Zorn freigesetzt und dabei sind neue Liedtexte wie `Salz der Erde` oder auch `Die Hoffnung stirbt zuletzt` entstanden.“

Dominor hängt dem an, weiter in die Tiefe gehend: „`Keines Herren Knecht` ist unser Lied für alle die wie wir gerne frei Leben und durch die Lande ziehen ohne sich selbsternannten Autoritäten zu beugen. Die Piratenfahne gehisst und los! Im Gegensatz dazu ist `Rette mich` ein Lied über eine schmerzliche Trennung und die Kämpfe die dabei in einem toben. `Des Königs Henker` ist ein eher introspektives Lied, in dem es um meine eigene persönliche Zerrissenheit geht. Dabei sind die Toten des Henkers spezielle Bilder für die eigenen Leichen, die ich im Keller habe. Der Refrain zeigt dabei die paradoxe Situation auf, anderen durch sein eigenes Handeln wehzutun und sich dabei auch selbst zu verletzten. Wie man erkennt, eine Bildersprache, die aber eigentlich Psychologie ist. Unser Märchen `Tritt ein` ist natürlich auch mit Hintergrund ausgewählt, gibt es doch in jedem Menschen eine Kammer, ein Geheimnis, dass besser verschlossen bleibt. `Vergiss mein nicht` zum Beispiel erzählt von einer Vergewaltigung. Dabei stehen natürlich Erzählungen Pate, die ich aus erster Hand bekommen habe und die mich nachhaltig erschüttert haben. Man neigt dazu, dieses Thema auszublenden, aber Fakt ist, dass immer noch fast jede dritte Frau ähnliche Erfahrungen machen muss.“

Unter all den aktuellen Songs hat Dominor kein spezielles Lieblingslied oder so etwas, denn das variiert bei ihm ständig, wie er mir erzählt. „Besonders erwähnenswert finde ich aber den Chorpart von `Vergiss mein nicht`. Der macht uns großen Spaß und ich war ehrlich überrascht, dass wir es so gut hinbekommen haben.“ Auch Lasterbalk gefallen eigentlich alle Lieder von „Des Königs Henker“ gut. „Es ist daher echt schwer für mich, gewisse Song-Lieblinge zu haben. Zurzeit sind es aber wohl `Keines Herren Knecht`, `Vergiss mein nicht`, `Verführer` und `Salz der Erde`“.

Das neue Albumcover stammt wie immer aus der Feder von Band-Grafiker Magister Flux, teilt Lasterbalk noch mit. Der Perkussionist offenbart: „Uns gefallen auch die toten Könige im opulenten CD-Booklet sehr gut. Ich persönlich hatte glaube ich noch nie ein so schönes Platten-Cover von uns gesehen. Wie gesagt, bei uns sind im Laufe der Produktion so einige Könige gestorben und daraus ist Neues entstanden, und das soll auch auf diesem neuen Cover zu sehen sein.“

Im Anschluss an die Veröffentlichung von „Des Königs Henker“ waren diese Mittelalter-Rocker beinahe überall live aufgetreten, worauf sie schon vorab regelrecht entgegenfiebern. „Wir sind von 7.10.2005 bis zum 30.12.2005 fast durchgehend unterwegs gewesen. Termine hierfür gab und gibt es ja auch sonst auf unserer Homepage und in unserem Newsletter. Wir freuten uns ganz besonders auf die Dark & Mystery Music Nights, wo wir mit vielen netten Kollegen und Freunden spielten, und sonst hat jeder von uns so seine Lieblings-Auftrittsstätten; was aber glaube ich an so manchen holden Damen der jeweiligen Orte liegt“, grinst der lästerliche Taktklopfer und fügt an:

„Denn wir kommen von der Straßenmusik, spielen auch heute noch auf den Bühnen der Mittelaltermärkte und sind daher in erster Linie durch und durch eine Live-Band. Das war schon immer so und ich glaube auch nicht, dass sich daran etwas ändern wird. Bei unseren hundert Tourtagen im Jahr schlägt fast jeder die Hände über dem Kopf zusammen uns fragt sich, ob uns das nicht zuviel ist. Ich sage da aber eindeutig nein, denn wenn es nach uns ginge, würden wir noch viel mehr unterwegs sein. So werden wir natürlich auch bald wieder eine neue Show dabeihaben. Viele unserer alten Lieder, die wir regelmäßig spielen, haben wir dabei dem Sound der aktuellen Platte angepasst. Und wir haben auf jeden Fall auch künftig wieder eine Menge neue Überraschungen für euch alle mit dabei.“

© Markus Eck, 01.01.2006

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