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Interview: SLAYER
Titel: Revitalisiert

„Für mich selbst ist `World Painted Blood` schon jetzt ein absoluter Slayer-Klassiker, ich liebe diese neue Platte aus ganzem Herzen, und das jeden Tag mehr und mehr“, entfährt es Vokalist und Tieftöner Tom Araya voller Enthusiasmus im Interview.

Und auch sonst wirkt der 48-jährige Frontmann komplett revitalisiert, ja, sprüht geradezu förmlich Funken vor lauter Erzählfreude.

Wir erinnern uns: Letztes Jahr 2008, im Oktober, stellten die vier weltberühmten Thrash Metal-Kings aus Huntington Park, Kalifornien bekanntlich den Song „Psychopathy Red“ vorab zum kommenden Album erstmalig mittels Stream online – und im Juli dieses Jahres schob das amerikanische Erfolgsquartett dann den weiteren Track „Hate Worldwide“ als exklusive CD-Single nach.

So konnte man seinen musikalischen Eindruck noch zusätzlich festigen, was das anstehende zehnte Studioalbum „World Painted Blood“ anbelangt. Ein Jubiläum also.

Nach einiger arbeitsreicher Zeit im Studio sind die elf Kompositionen besagter Scheibe nun endlich fertig gestellt, erstmals in Zusammenarbeit mit Produzent Greg Fidelman – überwacht vom alten Slayer-Hausproduzenten Rick Rubin.

Ein absolut effizientes Team, wie man deutlich hören kann.

Denn herausgekommen sind dabei ebenso abwechslungsreich zündende wie auch enorm dynamisch anmutende Thrash Metal-Monster im typischen Stil der eigenwilligen Vierertruppe, welche dem bisherigen Schaffen der Mannschaft um Stargitarrist Kerry King nicht nur oftmals mächtig Tribut zollen, vor allem demjenigen aus den 80ern, sondern die Band selbst auch in absoluter spielerischer Hochform zeigen.

Seine riesige Freude über die gelungene neue Veröffentlichung ist Tieftöner und Shouter Tom Araya im angeregten nachmittäglichen Face-to-face-Interview auch angenehm deutlich anzumerken.

Nachdem er den Raum betreten hat, breitet sich sogleich sehr positive Stimmung aus. Doch der Sänger reibt sich erstmal ausgiebig die müden Augen:

„Wir kamen hier ja erst letzte Nacht an nach unseren beiden Live-Gigs vom Freitag und Samstag. Sechs Stunden dauerte die Fahrt. Es war ziemlich anstrengend, und geschlafen hab’ ich wohl auch mal wieder viel zuwenig – wie immer eben, wenn wir zusammen auf Tour im Bus unterwegs sind.“

Da haben wir was gemeinsam, denn auch mein Flug von München nach Frankfurt beziehungsweise die damit verbundenen Zug- und Taxifahrten samt Verspätungen auf den Schienen gerieten wie bereits gewohnt zu nervlichen Zerreißproben.

Einen Tag vor geplantem Gesprächstermin wurde unser Zusammentreffen zwar urplötzlich vom Kölner Hyatt ins Frankfurter Le Méridien Parkhotel verlegt.

Doch letztlich konnten wir uns trotz einigen zugrunde liegenden logistischen Aufwands doch noch bestens gelaunt gemeinsam auf einem Sofa gegenüber setzen.

Trotz von ihm persönlich als arg defizitär geschilderter Schlafsituation im Tourbus sprüht der angenehm redefreudige Schreihals vor quirliger Lebensfreude. Wir kamen gleich mal auf die erstmalige Slayer-Zusammenarbeit mit Soundspezialist Greg Fidelman zu sprechen – Tom lobt die Kooperation mit dem neuen Produzenten im Studio nachhaltig.

„Fidelman wollte ja ursprünglich eigentlich schon fürs 2006er Studioalbum `Christ Illusion` unbedingt mit uns zusammenarbeiten, woraus jedoch erstmal nichts wurde. Doch für `World Painted Blood` entschieden wir und unser Stammproduzent Rick Rubin uns dann dazu, dass Greg für Slayer die Regler im Studio bedient.“

Fidelman und Rubin, welcher beispielsweise auch das letzte Metallica-Album produzierte, arbeiteten zusammen bereits an Veröffentlichungen von Slipknot, Audioslave und System Of A Down. Tom ergänzt mit zufriedener Miene:

„Greg selbst ist riesengroßer Metal-Fan, und hörte sich zwischen seinen einzelnen Produktionsschritten immer wieder ältere Platten von uns an, um so tief wie möglich mit dem Slayer-Sound zu verwachsen. Danach kam er stets wieder zu uns und feuerte uns heftig an, noch mehr zu geben, unsere neuen Nummern mit noch viel mehr Biss zu inszenieren. Das war auch sehr gut, denn schließlich haben wir einen Großteil des neuen Materials erst im Studio geschrieben und fertig ausgearbeitet – was wir zuvor so noch niemals gemacht haben. Aber der Gedanke reizte uns schon länger. Alles in allem waren wir circa viereinhalb Monate im Studio zugange, und die Arbeit ging perfekt vonstatten. Wir wickelten das sozusagen in zwei Phasen ab: Erst in einer Art Testzeit im Studio mit Greg, und dann ging es für uns alle nachfolgend erneut von Januar bis März 2009 zusammen. Doch auch die Zusammenarbeit zwischen uns in der Band war fantastisch – wir sprachen ständig alle gemeinsam über die Fortschritte beziehungsweise Neuerungen der Songs, und sogar das klappte vorzüglich! Zum Glück hatten wir auch noch eine vergleichsweise ganze Menge Zeit, um alles auf die Reihe zu kriegen. Trotzdem, ich nenne das fast schon gespenstisch: Alles in den Liedern kam wie von selbst zueinander, es lief komplett unverkrampft ab. Wir hatten sogar allesamt noch einen Riesenspaß dabei, unermüdlich an den neuen Tracks zu feilen.“

Denn auch Tom konnte hierfür nach vollständiger Genesung seiner einstigen Gallenblasenentzündung wieder vollsten Körper- beziehungsweise Kehleneinsatz bringen.

So freut er sich riesig über mein Kompliment zu seiner deutlich sichtbaren optischen Revitalisierung und bedankt sich gleich ebenso bescheiden wie auch herzlich dafür.

Er greift im Anschluss nur zu gerne nochmals die beiden frisch absolvierten Liveshows auf:

„Vorgestern und gestern spielten wir ja eben je einen Slayer-Gig auf den beiden Festivals `Wacken Rocks Seaside` in Aurich und `Wacken Rocks South` in Kreuth im nördlichen beziehungsweise südlichen Teil Deutschlands – welche 2009 unsere einzigen beiden Open Air-Auftritte bleiben werden bei euch in Germany. Vom neuen Album spielten wir jedoch lediglich `Psychopathy Red`.“

Wahrlich hochinteressant war es für ihn laut eigener Aussage zu erleben, wie sehr diese beiden Landesteile doch differieren, was die jeweilige Mentalität der dortigen Leute anbelangt:

„Diejenigen im Norden sind nämlich wirklich wahre Fan-Berserker, die nicht genug von uns bekommen können, während die Festival-Besucher im Süden die ganze Zeit während unseres Auftrittes überwiegend mit verschränkten Armen herumstanden, soviel ich jedenfalls von meiner Warte aus gesehen habe. Letztere warteten wohl in aller Erhabenheit darauf, von uns beeindruckt zu werden. Ich hoffe, dies war der Fall“, platzt es anschließend schelmisch lachend aus Tom heraus.

Der gebürtige Chilene selbst, zur Welt gekommen als Tomás Enrique Araya im dortigen Viña del Mar und im Dialog wieder mal ganz Sympathieträger, ist mit seiner Live-Performance auf den zwei Festivals insgesamt zufrieden, wenn er auch zugibt, mit einigen wenigen Textzeilen Probleme gehabt zu haben.

Er gibt dazu herzlich grinsend zu Protokoll:

„Normalerweise läuft es bei mir auf der Bühne immer so ab, dass mein Bassspiel durch ganz spezielle Griffakzente in mir die Worte der Songtexte ganz automatisch wiederbringt, so, wie ich es bei den Bandproben über all die Jahre ja auch extra für mich einstudiert habe. Doch beim `Wacken Rocks Seaside`-Festival rang ich doch hin und wieder damit, die richtigen Worte an die richtigen Stellen zu setzen – doch grobe Patzer sind mir zu meinem großen Glück nicht passiert.“

Auf lyrischem Terrain ist bei Slayer jedoch alles komplett beim Alten geblieben, so der Sänger.

„Es geht wie stets auch aktuell bei uns um Serienkiller, Tod und Mord. Und das scheint mir auch aktueller denn je zuvor, denn mittlerweile ist diese Welt ja leider dermaßen schlimm, grausam und brutal geworden – wie uns allen die globalen Massenmedien jeden Tag aufs Neue vor Augen führen. Ich bin ja selbst fürsorglicher Vater zweier Kinder und sehe diese ganzen üblen News-Sendungen mit wachsendem Befremden. Im direkten Vergleich muten da selbst Slayer-Songtexte schon erschreckend real an.“

Apropos: Ob US-Präsident Obama, weltweit als neuer „Messias“ abgefeiert, seiner Meinung nach nun das politische Ruder entscheidend herumreißen wird, wollte ich noch von meinem Gesprächspartner wissen. Der grinst abschließend betont schlitzohrig und spricht:

„Nein. Wie soll er auch? Er untersteht ja genau derselben Agenda wie es bei Bush der Fall war.“ Alles gesagt.

© Markus Eck, 31.08.2009

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