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Interview: THY NEMESIS
Titel: Dunkle Essenz

Mit ihrer zweiten Attacke in Albumform schicken diese beiden Oberösterreicher derzeit wieder an, neue Hörer mit ihrer dunklen Kunst einzufangen. Auch der neue Hassbolzen „Christcrushing Anthems“ bietet, wie dem Titel unschwer zu entnehmen ist, vollkommen verschworen zelebrierten Black Metal. Bereits der gelungene 2003er Vorgänger „Forgotten Dreadful Legends“ bot einiges für passionierte Liebhaber eher melodischen und spielkulturell anspruchsvollen Schwarzmetalls zu entdecken.

Diejenigen, welche sich mit diesem Werk anfreunden konnten, werden nun keinerlei wundersame Überraschungen erleben. Denn dieses Duo ist sich in allen Belangen seines tiefschwarzen Sounds treu geblieben, ja, trieb die einzelnen musikalischen Bestandteile gar noch einen Tick weiter in die Tiefe. Die Einstellung von Axeman und Kreisch-Barde Christcrusher zum zentralen Hauptthema des aktuellen Silberdeckels von Thy Nemesis scheint sich im letzten Jahr noch weiter ausgeprägt zu haben. Denn er trägt sein plakatives Pseudonym nach wie vor nicht zu unrecht, wie er mir offenbart.

Die ersten Reaktionen auf die neue Veröffentlichung waren seiner Aussage nach ganz gut. Er freut sich auch, dass mir das neue Album wieder gefällt. „Ein paar Thy Nemesis-Hasser haben sich natürlich auch schon zu Wort gemeldet, aber bis jetzt ist der Tenor dazu eher positiv. Die meisten Fans des Debüts finden, dass wir uns erheblich steigern konnten.“

Das neue Album ist laut Bekunden des Gitarristen abwechslungsreicher, melodischer und intensiver als das Debüt ausgefallen:

„Die neuen Songs klingen ausgereifter und harmonischer. Wir sind melodischer geworden, haben dabei aber nichts an Härte eingebüsst. Es steckt viel Liebe zum Detail und mehr Tiefgang in den neuen Liedern. Außerdem war mein Partner Tharon dieses Mal von Anfang an in das Songwriting eingebunden und konnte seine Ideen daher viel besser einbringen, was den Songs hörbar gut getan hat. Er weiß genau, was ein Song braucht und wir ergänzen uns ideal.“

Mich interessieren in diesem Zusammenhang die Reaktionen der einschlägigen Presse zum Debütalbum „Forgotten Dreadful Legends“. Wie Christcrusher verlauten lässt, fielen viele Kritiken überwiegend gut aus.

„Ich habe mich damals auch sehr über deine Lobeshymen gefreut! Einige Kritikpunkte der schlechten Reviews waren auch durchaus gerechtfertigt. Ich kann sehr gut mit sachlicher und objektiver Kritik umgehen. Zynismus ist für mich auch okay und oft durchaus erheiternd. Wenn aber ein Kritiker unsere Platte mal eben als Rohstoffverschwendung bezeichnet, oder sich pauschal über Österreich lustig macht, dann hat das für mich nichts mehr mit objektiver Berichterstattung zu tun. Das Rock Hard hat unser erstes Album übrigens als „typischen Aldi-Black Metal mit überschrittenem Verfallsdatum“ klassifiziert. Wie fachlich fundiert ist das denn? Offenbar wollen viele Ignoranten eher die Leser erheitern, als sich ernsthaft mit der Musik zu beschäftigen. Eine echte Auseinandersetzung mit einem Album ist in vielen Kritiken wohl eher sekundär. Ich hege auch den Verdacht, dass sich viele Kritiker ein Album oft nicht einmal anhören oder selbst keine Musiker sind.“

Im Gegenzug dazu erhoffen sich Thy Nemesis aktuell primär ehrliche Reaktionen für ihr neues Epos. Daher: „Jede ernsthafte Auseinandersetzung mit dem neuen Album wäre mir recht. Außerdem sollte man ein Black Metal-Album nicht von Leuten beurteilen lassen, die mit dieser Musikrichtung generell nichts anfangen können. Wir bieten natürlich eine große Angriffsfläche, weil wir optisch und textlich ziemlich kompromisslos zu Werke gehen und damit zwangsläufig auch provozieren oder verärgern. Das war mir aber von Anfang an klar. Die aktuelle Scheibe ist insgesamt definitiv nach unserer Vorstellung ausgefallen. Wir sind nach wie vor sehr zufrieden mit dem Album.“

Sein persönlicher Lieblingssong ist jedenfalls „An Friedhofsmauern“. Er legt mir den Grund dar: „Dieses Stück ist für mich die Essenz von Thy Nemesis und macht unmissverständlich klar, wofür wir stehen. Es gibt aber acht geile Songs auf dem Album und man sollte sich das ganze Album in Ruhe anhören.“ Cristcrusher fehlt zum Zeitpunkt unseres Interviews laut eigenem Statement noch die Distanz zum neuen Album, um Schwachpunkte auszumachen. Doch: „Mit dem nötigen Abstand findet man aber wohl immer Dinge, die man besser machen hätte können. Das Debüt hätte rückblickend etwas abwechslungsreicher werden können, obwohl ich immer noch zufrieden damit bin.“

Die neuen Songs sollten eine Stimmung beim Hörer auslösen und innere Bilder erzeugen, stellt der in den Songs barsch grollende Saitenberserker vor mir klar. „Gerade weil unsere Musik Geschichten erzählt. Daher habe ich mich bemüht, noch pathetischer und hymnischer zu komponieren. Außerdem wollten wir ein Album erschaffen, dass man sich immer wieder anhören kann und das bei jedem Hördurchlauf wächst. Daher waren wir sehr um Abwechslung bemüht. Die aggressive Komponente ist diesmal auch noch intensiver geworden. Da mir seit dem letzten Album viel Negatives passiert ist, ist mein ganzer Hass und meine ganze Wut auch in das Songwriting eingeflossen. Die neuen Songs sind ehrlich, zornig und fies geworden.“

Seit Gründung der Band ist Cristcrusher für das Songwriting bei Thy Nemesis zuständig: „Bereits nach Erscheinen des Debüts im Herbst 2003 habe ich den Song „An Friedhofsmauern“ geschrieben. Auch „From The Ashes Of Purgatory“ entstand bereits 2003. Alle weiteren Songs wurden 2004 komponiert. Diesmal ließ ich mir viel mehr Zeit für das Songwriting und das Verfassen der Texte. Tharon komponierte alle Keyboardlinien auf dem Album und das Ausfeilen der Schlagzeugparts, sowie die Basslinien gehen ebenfalls zur Gänze auf sein Konto. Nennenswerte musikalische Unterschiede zum Debütalbum? Wir sind melodischer und hymnischer geworden, ohne dabei an Härte einzubüssen.“

„Christcrushing Anthems“ fasst die Stimmung auf diesem neuen Album perfekt zusammen, findet der auskunftsfreudige Österreicher. Wir erfahren dazu:

„Der Titel stand schon fest, ehe die Songs fertig waren, da es mein erklärtes Ziel war, Christen zermalmende Hymnen zu komponieren. Die acht Songs treiben wohl in lyrischer Hinsicht jedem Kirchgänger die Zornesröte ins Gesicht, die satanischen und antichristlichen Elemente wurden definitiv ausgebaut. Es geht also noch härter zur Sache als beim Debüt. Jeder echte Black Metal-Fan weiß, was ihn erwartet, wenn er den Titel liest oder das Cover-Artwork sieht. Bewusst provokant, aber hundertprozentig ehrlich und eindeutig das wofür ich stehe! Heute und in Ewigkeit – Tod der verdammten Christenheit!“

Alle Texte auf „Christcrushing Anthems“ basieren wieder auf alten heidnischen Sagen aus seiner Heimat Österreich, bekundet er im Weiteren. Der sehr kreative Musikus hat sich diesmal verstärkt auf Sagen aus seiner Region konzentriert, wie er mir offenbart. Erneut ebenso eigenständig wie interessant und dabei mitunter gar lyrisch fesselnd ist es, was dabei entstand. „Es flossen aber diesmal auch sehr viele persönliche, misanthropische und satanische Inhalte aus meiner Gedankenwelt in die Texte ein, was ihnen mehr Interpretationsmöglichkeit verleiht. Ich habe die Geschichten also nicht mehr 1:1 erzählt, sondern freier interpretiert:

„An Friedhofsmauern“: Fortsetzung der Thematik von „Burning Churches“ vom Debüt. Auch dieser Song widmet sich dem Kampf und dem Widerstand der Heiden gegen das Christentum. Es gibt Verluste auf beiden Seiten und nach der Schlacht wird alles niedergebrannt. Da der Text den Kampf aus der Sicht eines Heidenkriegers schildert, wird die Atmosphäre der Schlacht regelrecht spürbar, wenn man sich darauf einlässt. Sage und blutige Realität verschmelzen hier zu einer Einheit.

„Ravenway“: In der Mythologie symbolisiert der Rabe stets den Tod. Im Song zeigt ein Rabe einem verwundeten Krieger nach der Schlacht den Weg ins Jenseits. Seine Augen sind geschlossen, aber der Rabe zeigt ihm den Weg. Er folgt dem Vogel in den verschneiten Wald und findet seine Bestimmung. Der Tod ist wie eine Befreiung für ihn, das Ziel des Rabenwegs. Eine Sage aus dem Innviertel in Oberösterreich.

„From The Ashes Of Purgatory“: Eine Geschichte über Dämonenbesessenheit im Mittelalter. Ein Mann träumt jede Nacht von der Zwischenwelt und Dämonen erheben sich nächtens aus der Asche des Fegefeuers, um ihn heimzusuchen. Sein christlicher Glaube kann nichts dagegen ausrichten. Ebenfalls aus dem Innviertel. Ein Sagenbuch aus dieser Region trägt sogar diesen Titel!

„Basilisk“: In einem Brunnen in Wien hauste im 16. Jahrhundert der Sage nach eine abscheuliche Kreatur, der auch Menschen zum Fraße vorgeworfen wurden. Jeder, der in die Tiefen des Brunnens hinab stieg fand sofort den Tod, da der Atem des Basilisken tödlich war. Das Untier hatte nur einen Schwachpunkt, es wurde besiegt, da es beim Anblick seines eigenen Spiegelbildes zu Staub zerfiel. In Wien steht heute noch das Basiliskenhaus.

„Lucifers Tower“: Der Teufelsturm von Werfenstein in Oberösterreich beherbergte zahlreiche Dämonen und den berühmten schwarzen Mönch. Vor jeder Naturkatastrophe oder Seuche sah man ihn im Teufelsturm, welcher sich der Sage nach direkt aus den Tiefen der Hölle erhob.

„Worm Of Fire“: Die berühmteste Sage vom zweiten Album handelt vom Feuer speienden Lindwurm aus Klagenfurt im schönen Kärnten. Der Lindwurm verbrannte ganze Landstriche, Christenknochen zerbröselten wie Glas. Die Menschen bezeichneten das sympathische Tier als Abgesandten der Hölle. Sieht aus wie eine Mischung aus Drache und Schlange und ist am Hauptplatz von Klagenfurt in Brunnenform zu bewundern.

„The Brotherslayer“: Erzählt die Sage eines Brudermordes aus der Sicht des Mörders, was es sehr interessant macht. Sein Bruder war stets nur ein Parasit seiner Wünsche und Träume und die aufgestaute Wut gipfelt im Mord. Der Geist des Verstorbenen findet keine Ruhe und sucht den Bruder jede Nacht heim. Diese Sage stammt ebenfalls aus dem Innviertel.

„Brenn I Helvete“: Bedeutet „Burn In Hell“ auf Norwegisch und erzählt von einer versunkenen Festung, deren Eingang sich unter den Wurzeln der Bäume eines dichten Waldes versteckt. Mit dem Eintritt beginnt das Verderben, da man sich in einer anderen Dimension befindet, in der selbst der Tod noch barmherzig wäre. Ein Portal zur ewigen Verdammnis also. Auch diese schöne Sage kommt aus meiner Heimat, dem Innviertel. Der seltsam anmutende Titel ist eine Art Tribut an meine Freunde in Norwegen und ist beim Saufen in Bergen aus einer Bierlaune heraus entstanden.“

Anschließend bemängelte ich das Albumcover von „Christcrushing Anthems“, welches mir im Gegensatz zu dem tollen Frontbild vom Debüt leider überhaupt nicht gefällt. Von Seiten Thy Nemesis aus sieht man diesen für mich schon etwas ärgerlichen Umstand jedoch genau entgegengekehrt. Der Verbalkonter meines Gesprächspartners spricht daher eindeutig für sich: „Das Cover hat Tharon gemacht und es passt perfekt zum Albumtitel. Ein überdimensionales christliches Kreuz zerbricht durch bloße Willenskraft. Die Idee dazu hatten wir gemeinsam und ich war bei der Entstehung dabei. Wir müssen also wohl damit zufrieden sein. Einige Fans finden das Cover sogar extrem geil. Gerade deshalb, weil es so derb ist. Es ist sicher gewagt und ich verstehe warum du es nicht magst, aber es repräsentiert nun mal unsere Attitüde. Der Künstler des Debüt-Covers wollte diesmal übrigens eine horrende Summe von mir haben, weshalb ich von einer Zusammenarbeit gerne abgesehen habe.“ Letzteres erklärt natürlich auch so einiges zum Entstehungshintergrund des Bildes.

Abschließend drehte sich unser Dialog darum, welche Black Metal-Bands sich die beiden oberösterreichischen Idealisten privat so anhören. Stolz wird verkündet: „Satyricon, Immortal, Ragnarok, Windir, 1349, Darkthrone oder Burzum höre ich oft. Tharon steht ziemlich auf Dissection, Naglfar und Old Man´s Child. Da wir beide aus der Death Metal-Ecke kommen und früher mal zusammen Death Metal spielten, stehen wir natürlich immer noch auf die guten alten Scheiben von Death, Pestilence, Entombed oder auch Edge Of Sanity. Außerdem stehen wir beide ziemlich auf Megadeth, auch wenn das nun ganz etwas anderes ist. Hauptsache echter Metal!“

© Markus Eck, 15.03.2005

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