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Interview: TYRANT
Titel: Fingerfertige Finessen aus Fernost

Japan: Eigentlich bekannt als das Land des Lächelns, bringt auch hin und wieder pechschwarz schillernde Nachtschattengewächse hervor, darunter dieses harsche Quartett.

Ihr peitschend wirsches 1998er Debütalbum „Under A Dark Mystic Sky“ war zwar ein wahres Überwerk an symphonischem Melodic Black Metal, dennoch erlangten die Tokyoter Tyrant damit hier in der Metal-Hochburg Europa nicht mal ansatzweise die große Aufmerksamkeit und hohe Anerkennung, die ihnen damit zustand.

An diesem viel zu niedrigen Grad der Popularität änderte auch der kompositorisch imposante 2002er Albumnachfolger „Legend“ leider nichts. Obwohl Tyrant darauf geradezu brillierten mit von edler Klassik inspirierten, orchestralen Hammersongs, voll von erhebend festlichen Melodien.

Der aktuelle dritte Langspieler „Grimoires“ zeigt dieses selbsttreue Ensemble abermals enorm gereift und um einiges tiefgründiger, sich ihrer Möglichkeiten mehr bewusst.

Diese, typisch für die ästhetischen Nippon-Tyrannen, in vielen Belangen einzigartig symphonische Scheibe, erscheint nun beim dritten Label.

An eisernem Durchhaltewillen und Selbstvertrauen fehlt es dem sich aktuell in überraschend neuem Outfit präsentierenden Vierer um Sänger Keisuke Kubo also wirklich nicht.

„Unser Basisweg in Sachen Komponieren hat sich seit dem Debütalbum „Under the Dark Mystic Sky” eigentlich überhaupt nicht geändert. Mit der Zeit lernten wir jedoch immer mehr an Erfahrung dazu, diverse Instrumente wie Violine, Viola, Cello und mehr in unsere Songs zu integrieren. Daraus resultierend, gewannen wir einige neue Facetten des Songwritings hinzu. Doch alles in allem hat sich seit zehn Jahren fast nichts geändert, und wir haben noch immer dasselbe musikalische Ziel vor Augen: Atmosphärische und brutale Symphonic Black Metal-Kunst zu kreieren“, legt Keisuke los.

Wichtig ist für ihn dabei außerdem noch zu erwähnen, dass die Stilistik von Tyrant massiv vom Black Metal der frühen 90er beeinflusst ist:

„Speziell von norwegischem Schwarzmetall. Einige Bands aus unserem Genre verleugnen die Einflüsse der norwegischen Vorreiter, ich stehe jedoch vollauf dazu und habe keine Probleme, das zu bekunden. Ich bin nun schon über 30 Jahre alt und erlebte schließlich den Thrash Metal der 80er mit, und ich war auch bei der Bewegung des Death und Black Metal der 90er ebenso begeistert dabei. Mich faszinierten all diese harten Musikstile schon seit jeher. Dennoch, so richtig begeistern konnte mich nur skandinavischer Black Metal, darunter auch insbesondere Symphonic Black Metal. Meine Lieblingsalben aus dieser Periode sind „De Mysteriis Dom Sathanas” von Mayhem, das Emperor/Enslaved-Splitalbum sowie „The Shadowthrone” von Satyricon. Ohne Zweifel führten diese Werke umgehend dazu, dass ich voller Enthusiasmus Tyrant ins Leben rief.“

Dennoch hat Keisuke seinen ganz eigenen geschmacklichen Kopf auf, wie er inbrünstig verkündet.

„Einen Großteil meiner Hörvorlieben nimmt natürlich die Klassik ein. Daneben gebe ich mich auch nur zu gerne dem Thrash und Gothic Metal hin. Aus all diesen Stilen heraus inspiriert, bemühe ich mich, die Musik meiner eigenen Band so eigenständig wie möglich werden zu lassen. Jeder aufmerksame Hörer wird mit Leichtigkeit die von mir genannten Inspirationsquellen in den Songs von „Grimoires“ wiederfinden.“

Was den Vokalisten selbst betrifft, so nahm Klassik seit Kindertagen auf ihn einen ganz erheblichen Einfluss:

„Meine Mutter war Piano-Lehrerin und meine Schwester wollte unbedingt eine professionelle Pianistin werden – nun hat sie ihr Ziel erreicht. Sie hat verdammt hart dafür gearbeitet und unzählige Stunden dafür geübt. Bei mir zuhause wurden daher täglich Platten von Johann Sebastian Bach, Wolfgang Amadeus Mozart und weiteren alten Meistern gespielt. Mir gefielen damals schon als Kind die Orgel-Kompositionen von Bach ganz besonders. Heutzutage übt Klassik nicht mehr ganz so großen Einfluss auf mich als Komponist aus, dennoch helfen mir diese tiefgründigen musikalischen Erinnerungen zweifellos sehr dabei, Lieder beziehungsweise Melodien zu komponieren. Unser Gitarrist Z3 hat übrigens ebenfalls eine Ausbildung an der Klassik-Gitarre und unser Bassist Masato am elektrischen Piano, ebenso wie unsere Keyboarderin Ayumi.“

Großen Wert legt der grimmige japanische Schreihals anschließend noch darauf, hier seine Einstellung zur Black Metal-Szene zu äußern. Man erfährt:

„Unser Anliegen ist es vordergründig, die züngelnde Flamme des Untergrunds am Lodern zu halten. Ich bin der überzeugten Ansicht, extreme Musik wie Black Metal sollte immer im Underground bleiben und sich diese Attitüde erhalten. Ich verstehe gar nicht, wie das alles in Norwegen zum Kommerz hin entwickeln konnte. Ich finde die norwegischen Bands der frühen 90er jedenfalls auch heute noch am interessantesten.“

Eine Black Metal-Truppe aus Japan mutet dagegen für nicht wenige Verehrer dieses Genres zu allererst einmal sehr seltsam an, da ist sich Keisuke ziemlich sicher.

„Ja, für viele europäische Hörer ist es wohl sicher verdammt ungewöhnlich, uns das erste Mal zu hören oder zu sehen. Dennoch, es etablierten sich bereits einige Black Metal-Bands aus unserem Land bei euch, darunter Sigh, Abigail und Sabbat, die mit ihren Stilen Erfolg haben. Daher glaube ich stark daran, dass auch uns das gelingen wird. Schließlich haben wir schon auf dem letzten Album „Legend“ unsere ganz eigene Interpretation von symphonischem Melodic Black Metal vorgelegt. Hier bei uns in Japan ist es nach wie vor sehr angesagt, Death und Black Metal mit melancholischen, anmutigen und obskuren Atmosphären zu spielen. Eine ganze Menge Bands versuchen sich darin. Doch viele von denen erreichen keinen Erfolg, weil sie nicht eigenständig genug sind. Davon wollen wir uns mit unseren betont individuellen Songs deutlich abheben.“ Und das ist erneut vollauf gelungen, wie der Verfasser dieser Zeilen denkt.

© Markus Eck, 26.07.2005

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